Achilles und die Schildkröte
Oder: die Quantelung des Raumes


   

Jeder weiß, dass es Bewegung gibt und dass schnelle Körper langsamere Körper überholen können. Zenon nun erdachte sich ein Gedankenexperiment welches "beweist", dass es unmöglich ist, dass irgend ein Körper einen anderen Körper überholt. Natürlich wissen wir es besser. Interessant ist es aber, den Fehler in dem Gedankenspiel zu finden.

  Zenon, war ein Schüler des antiken ParmenidesKurzinfo über Zenon (~500 v. Chr.)

Literaturtipp zu Zenon Artikel in Spektrum der Wissenschaft, Januar 1995, Seite 66-71: "Eine Lösung für Zenons Paradoxien" (sehr gute Erklärung des Problems)

Es beginnt alles damit, dass Achilles, der Krieger, eine Schildkröte trifft und mit ihr ein Wettrennen vereinbart. Weil aber die Schildkröte sehr viel langsamer ist als Achilles, gesteht dieser ihr mit großer Geste einen Vorsprung zu. Achilles stellt sich alles ganz einfach vor:

Dies entspricht unserer Alltagserfahrung: Achilles wird die Schildkröte mich Leichtigkeit überholen und gewinnnen.
Achilles wähnt sich im sicheren Sieg
gegen die Schildkröte


   
Das Rennen beginnt so: Achilles (A) steht ganz links, die Schildkröte (S) hat einen Vorsprung:

A.........................S.....................................................

  Originalzitat von StobaiosAnaximandros über das Unendliche
Nach dem Startpfiff rennt Achilles los. Irgendwann erreicht er den Punkt, an dem die Schildkröte gestartet ist:

............................A.....................................................

   
In dieser Zeit ist aber natürlich auch die Schildkröte ein Stückchen weiter gekommen und die Situation sieht jetzt so aus:

............................A............S.......................................

   
Jetzt geht das ganze Spiel von neuem los. Denn eigentlich hat sich nicht viel geändert. Immer noch ist die Schildkröte ein Stück vor Achilles, wennauch vielleicht weniger als vorher (weil sie ja langsamer ist).

   
..........................................A.......................................

   
Achilles ist wieder bis zu der Stelle gelaufen, an der die Schildkröte vorher war. Diese aber ist ja inzwischen wieder ein Stück weitergekommen:

..........................................A...S...................................

   
So geht es weiter bis in die Unendlichkeit. Jedesmal, wenn Achilles dort angekommen ist, wo die Schildkröte zuvor war, da ist diese wieder ein Stück weiter gekommen. Er wird sie niemals einholen, wennauch der Abstand immer kleiner wird. Aber solange man beliebig kleine Strecken betrachten kann, solange kann die Schildkröte immer wieder einen Vorsprung herausschinden und Achilles wird sie nie einholen können.

   
Das Problem kann nur aufgelöst werden, wenn wir den Raum als nicht beliebig teilbar auffassen. Irgendwann einmal muss es ein Ende haben mit der weiteren, feineren Aufteilung des Raumes. Wenn der Raum gerastert, digital wäre, dann könnte Achilles die Schildkröte überholen. Stellen wir uns vor, die Strecke bestünde aus einer endlichen Anzahl kleiner Teilstrecken, die man nicht weiter aufteilen kann, aus Raumatomen, sozusagen:

  Seite 1035, "Höfling, Physik", 1994Zitat aus einem Physik Lehrbuch über die Quantenphysik: "Die Entwicklung scheint in der Tat dahin zu gehen, daß sich selbst die Größen Länge und Zeit bei genügend feiner Untersuchung als diskontinuierlich erweisen...die Elementarlänge liegt in der Größenordnung le~10-15m."
A                                       S                  
   
     
Stellen wir uns nun vor, dass man eine bestimmte Zeit braucht, um von einem Raumatom ins nächste zu gelangen. Diese Zeit ist für schnelle Körper kleiner und für langsame Körper größer, aber sie ist nicht unendlich klein.

   
Sagen wir einmal, Achilles braucht 1 Zeiteinheit um ins nächste Raumatom zu gelangen und die Schildkröte braucht dafür 10 Zeiteinheiten. Wenn Achilles dann die Stelle erreicht hat, an der die Schildkröte loslief, dann sind 20 Zeiteinheiten verstrichen. Die Schildkröte ist dann zwei Raumatome weiter:

   
                                        A   S              
   
     
Man sieht gleich, dass das Spiel jetzt bald ein Ende hat. In zwei weiteren Zeiteinheiten ist Achilles wieder an der Stelle, wo eben noch die Schildkröte war. Da diese aber 10 Zeiteinheiten für nur einen Schritt braucht, ist sie immer noch an ihrer alten Stelle. Achilles kann so die Schildkröte überholen und wird Sieger.
   
Dieses Modell gequantelter Bewegung macht aber auch die Vorstellung einer kontinuierlichen Vorstellung sinnlos. Was heisst es denn, wenn man eine gewisse Zeit braucht, um von einem Raumatom zum nächsten zu gelangen? ist man zwischendurch im Nichts auf Wartestellung oder steht man still? Springt man von einem Raumatom zum nächsten ohne jemals dazwischen gewesen zu sein?
  Ethische, ontologische und logische SackgassenEine Liste weiterer Paradoxien Aporien
Die Deutung quantenphysikalischer Experimente legt diese Sicht durchaus nahe. Zumindest geht die Quantenphysik davon aus, dass Teilchen durch Raum und Zeit springen können. Das sind die sogenannten Quantenereignisse. Wie die Teilchen von einem Raumpunkt zum nächsen gelangen und was dazwischen passiert, darüber enthält sich die seriöse Wissenschaftsgemeinde aber einer Aussage.

  Notizen aus einem Seminar, Wintersemester 2001Die Erkenntnisse der Quantenphysik legen nahe, dass eine Grundannahme der Relativitätstheorie, nämlich die eines stetigen Raumes, nicht haltbar ist.

Eine einfache Beschreibung der Natur der QantenphysikDie Welt der Quantephysik in einer Kurzdarstellung

Die Vorstellung eines digitalen oder gequantelten Raumes ist Teil eines metapherähnlichen Gedankenspiels in dem unser Universum mit einer Computersimulation verglichen wird.

Eine andere Deutung wäre, dass der Raum doch kontinuierlich ist, aber Zustandsänderungen, also auch Änderungen der Lage von Gegenständen in ihm grundsätzlich nicht kontinuierlich ablaufen.

  Universe.exe: ist die Welt eine digitale Simulation?Die Welt als Computersimulation

Zitat von Meister Eckehart (1260-1329): "Nichts hindert die Seele so sehr an der Erkenntnis Gottes als Raum und Zeit. Zeit und Raum sind Stücke. Gott ist Eines." Quelle:Vom Wunder der Seele, Seite 60.


Literatur zu Zenons Paradoxon:

Eine Lösung für Zenons Paradoxien. In:Spektrum der Wissenschaft, Januar 1995, Seite 66-71

Morsch, O.: Zeno und der Quanten-Schnellkochtopf. In: Spekrum der Wissenschaft, Februar 2002, Seite 14-16

   

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