Streben nach Weisheit ist gewiss
etwas Nettes, Sokrates, wenn sich einer damit im
[Jugend-] Alter maßvoll befasst; wenn man sich
aber mehr als nötig [damit] beschäftigt, ist es
ein Verderben der (= für die) Menschen. Denn
wenn einer auch sehr begabt sein sollte und über
das [Jugend-]Alter hinaus nach Weisheit streben
sollte, ist es zwangsläufig, dass er unerfahren
in allen politischen Angelegenheiten wird. Sobald
er nun an irgendeine private oder öffentliche
Unternehmung herangeht, wird er zum Gespött,
ebenso wie meiner Meinung nach die Politiker
ausgelacht werden, sobald sie zu euren
Beschäftigungen und Unterhaltungen stoßen. Denn
es passt der Ausspruch des Euripides: Jeder
glänzt da, wo er gerade sehr gut ist; wo er aber
nichts taugen sollte, dem entzieht er sich und
darüber lästert er. Aber ich glaube, das Beste
ist, an beiden Anteil zu erhalten: an dem
Streben nach Weisheit, soweit es um der Bildung
willen schön ist, Anteil zu erhalten, und es ist
nicht schändlich für einen Jüngling, nach
Weisheit zu streben; wenn man aber, obwohl man
bereits ein älterer Mensch ist, noch nach
Weisheit strebt, wird die Angelegenheit
lächerlich, Sokrates. Denn wenn ich bei einem
jungen Burschen Streben nach Weisheit sehe,
bewundere ich es und ich meine, dass dieser
Mensch ein freier ist, derjenige aber, der nicht
Philosophie betreibt, ein unfreier [ist]. Wenn
ich dann aber sehe, dass ein Älterer noch nach
Weisheit strebt, scheint mir dieser Mann Schläge
zu benötigen, oh Sokrates. Denn dieser Mensch
muss, auch wenn er begabt sein sollte,
unmännlich werden, weil er die
Versammlungsplätze meidet.
Besten Dank an Uwe Weber!
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