Der Leibhaftige
IP/EP-Nr.: 17.32/22425
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Die meisten Erzählungen von
Menschen die mit dem geheimnisvollen Staub aus der
antarktischen Bohrung in engen Kontakt gebracht wurden
lassen sich in ein skurrilles aber in sich konsistentes
Gesamtbild einfügen. Von dieser Regel gibt es nur wenige
Ausnahmen. Zu diesen zählt die nachfolgende Schilderung. |
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Zur Hintergrund:
Der antarktische Staub als psychoaktive
Wissensvermittlung: die Memoiren des Prof. Hans |
Der Proband war ein
Mittdreißiger, durchschnittlich gebildet mit
unauffälligem Lebenslauf und ungewöhnlich robuster
Psyche. Hier nun eine ungekürzte Mitschrift der Rede,
welche er unter dem Einfluss des Staubes von sich gab: |
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<= der Proband |
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Ruhrgebiet. Dillingen.
Eisenhütten. Hochöfen. Rheinhausen. Schlacke. Der
Hintergrund: stillgelegte unkrautüberwachsene
Gleisstrecken. Überall verstreute Schottersteine.
Todesstille (hier fiel der Puls des Probanden plötzlich
rapide ab. Anm. d. Experimentators, seine Stimme wurde
fahl und leise). |
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<= der Hintergrund |
Der Boden öffnete sich.
Leise. An vielen Stellen zugleich. Wir standen dort. Zu
dritt. Vielleicht zu viert. Der Boden war an vielen
Stellen zugleich aufgerissen. Lautlos. Unmerklich. An
vielen Stellen Löcher. Löcher wie Spalten. Brodeln
klang hervor aus den Löchern. Brodeln und Knacken.
Knacken und Knirschen. Knirschen und Tröpfeln. Dunkelrot
schimmerte es aus den Löchern gegen den bleiernen
Himmel. Überall Löcher. Immer mehr. Löcher. |
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<= der Boden öffnet sich |
Wir standen am Rand. Am Rand eines Loches. Der Boden
auf dem wir standen: eine Decke aus schwarzem Asphalt,
handbreitdick. Darunter: alles unterhöhlt. Viele Meter
tief. Tiefe Dunkelheit. Und am Boden der Löcher: zäh
fließende, zäh brodelnde, träge spuckende, rote Lava.
Hier überkrustet, dort hellrot fließend. Kruste und
Glut in ständig neuen Formen, sich bildend, werdend und
bleibend. Das blanke Grauen. Im Hinterund zerfallende
Öfen. Eisenbahngleise. Ratten ganz lautlos. Der Himmel:
aschengrau. Unter uns: rotglühende Lava. Schottergraue
Schlacke. Lautlos knirschend.
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<= die Lava |
Es war zu spüren. Das
dunkle Grauen unter uns. Dichte Dunkelheit. Eine Wolke in
der Tiefe. Eine Wolke aus grauer Schwärze. Wabernd,
pulsierend. Daseiend: der Leibhaftige. Drohend, wartend,
seiner Sache gewiss und geduldig. Stofflos, körperlos,
grau. Undurchsichtig, undurchdringlich, drohend.
Greifend. Wartend. |
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<= der Leibhhaftige |
Wir warteteten. Unter uns:
das unstoffliche Grauen. Die suchende Glut. Hinter uns
die Öfen. Tot. Verlassen. Zerfallen. Über uns: der
Himmel aus Blei. Alle ist zeitlos. Immer ist jetzt.
Früher, heute, gestern, morgen: jetzt. |
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<= Schluss |
Nachdem der Proband diese
Worte gesprochen hat hob er den tief gesenkten Kopf nach
oben. Er schüttelte ihn langsam und leicht mehrmals von
links nach rechts und öffnete dabei seine zuvor
geschlossenen Augen. Er rieb sich die Augen als ob er
aufwachen wollte. Trotzdem er noch unter dem Einfluss des
Staubes stand bemerkte er, dass er sich selbst über die
von ihm gesprochenen Worte wundere. Er wüsste nicht
woher sie kämen und könne sich auch nicht daran
erinnern, jemals Vergleichbares erlebt zu haben. |
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<= Der Proband wacht auf |
Ähnlich
mystisch-bedrohliche Schilderungen einer diffusen
Bedrohung durch unerkärliche Dinge der Dunkelheit finden
sich unter den Aufzeichnungen äußerst selten und alle
Schilderung weisen stark voneinander abweichende Elemente
auf. Maßgebende Schulen der Forschung hängen dem
Gedanken an, dass psychisch robuste Personen quasi
teilimmun gegen den Einfluss des Staubes seien und der
Staub deshalb seine eigene Botschaft nur sehr viel
schwieriger übertragen könne. Die Erzählungen würden
dann sehr viel eher psychologische Tiefenerinnerungen der
Probanden denn echte Speicherinhalte des Staubes
widergeben. |
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<= Interpretationen Eine andere, sehr schockierende Erzählung:
Zungentod
The Discoverer - eine leicht düstere
Melancholie
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Andere, weniger anerkannte,
Strömungen vermuten, dass die wenigen Schilderungen
dieser Art eine Form höherer Erkenntnis sind, die gerade
nur psychisch besonders robusten Personen von dem Staub
übermittelt werden kann. |
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<= höhere Erkenntnis |
Wie dem auch sei, es werden
noch tausende weiterer Probanden mit dem Staub in
Berührung gebracht werden müssen, bevor sich
statistisch valide Befunde für solche dorch sehr
sonderbaren Erzählungen formulieren lassen. Es ist eine
Tragik unserer Zeit, dass viele dieser Unglücklichen
anschließend unter dauernder psychologischer Behandlung
werden leben müssen. |
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<= Ausblick |
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Kontakt
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