Seelenwesen

Vorab

Ich empfinde es als einen großen Mangel vieler Philosophen, dass sie ihre Begriffe oft sehr im Unklaren lassen. Das hat den Vorteil, dass sich die Worte leicht mit eigenen Gedanken verbinden lassen, es hat den großen Nachteil, dass damit selten wirklich neue Erkenntnis einher geht. Ganz vermeiden lässt sich der Mangel sicherlich nicht, denn letztendlich genaue Definition sind eine Illusion. Aber ich möchte mich doch um möglichst viel Klarheit bemühen.

Axiomatische Definition

Was nun soll eine Seele oder ein Seelenwesen sein? Es ist zunächst ein hypothetisches Konstrukt, das ich aber dennoch möglichst nah am Erleben eben meiner Seele halten möchte. Axiomatisch - also eigentlich willkürlich gesetzt - will ich die Definition machen, um mir die Last empirischer Belege oder logischer Herleitungen zunächst fern zu halten. Man wird dann später entscheiden können, ob sie sich in ein vernünftiges Gesamtbild einfügen lassen. Hier nun kommen meine Eigenschaften von Seelenwesen.

Seelen sind Willensquellen

Das scheint mir das Wichtigste. Jedes einzelne Seelenwesen ist die Quelle eines eigenen ganz freien Willens. Das wirft zwei Problemkreise auf: erstens ist es schwer einen Freien Willen überhaupt sinnvoll zu definieren und zweitens gibt es viele Anzeichen, dass wir als Menschen gar nicht so frei wollen wir wir gerne würde.

Versuchen wir zuerst, uns unter einem freiem Willen etwas vorzustellen. Freiheit kann hier in zwei Richtungen unterschieden werden. Zunächst ist da die Freitheit in der Gestaltung. Wirkmächtigkeit finde ich hier ein schönes Wort. Wenn ich gerne meine Hand zum Gruß eines Freundes erheben will und die Hand dann auch genau das tut, dann erfahre ich dort Freiheit in der Wirkung. Das ist die eine Seite. Auf die zweite Seite von Freiheit verwies Arthur Schopenhauer mit seinem üblichen Witz: "Wir können zwar oft, was wir wollen, aber wir können nicht wollen, was wir wollen."1 Woher kommen unsere Willensregungen? Entscheide ich jetzt, was als Wille in den nächsten Minuten in meinen Kopf kommen wird? Kann ich frei entscheiden, ob ich gerne Apfelwein esse? Solche Fragen führen mich zu einer Denkgrenze. Wenn der Wille ganz frei in seiner Entstehung sein soll, von was nimmt er dann seinen Ausgang, welchem übergeordneten Prinzip ließe er sich zuordnen? Unterliegt er dem Gesetz einer gewissen Kausalität? Ich habe keine Ahnung und setze Freiheit hier axiomatisch als nicht mehr weiter herleitbar. Seelenwesen sind damit Quellen von nicht mehr weiter hinterfragbaren Willensregungen. Dass wir als Menschen dem eher nicht entsprechen liegt für viele Denker auf der Hand. Die modernen Neurowissenschaften liefern ständig neue Belege dafür, wie unsere Willensregungen durch chemische oder elektrische Stimulation des Gehirns beeinflusst oder gesteuert werden können. Ebenfalls gegen einen frei entstehenden Willen sprechen moderne Varianten des Libet-Experiments. Das sind Experimente, mit denen ein Computer (immer besser) voraussagen kann, was wir gleich tun werden, bevor wir es selbst wissen. Aus diesem empirischen Befund ziehe ich jetzt nicht den Schluss, dass die obige Seelendefinition eingeschränkt werden sollte, sondern eher, dass in uns Menschen die Seelenwesen nur eine sehr begrenzt Rolle spielen können. Was wir in uns als Seele wahrnehmen können ist vielleicht nur der Keim einer Seelen. Ich werde später den Gedanken entwicklen, wo in der uns umgebenenden Welt wesentlich stärkere Seelenwesen wirken könnten.

Fußnoten

1 Das Zitat ist sinngemäß aus meinem Gedächtnis wiedergegebenen. Das Original steht in Schopenhauers Werk "Die Welt als Wille und Vorstellung".