Die wundersamen Erinnerungen des Prof. Die
Entstehung der biotischen Ökonomie
IP/EP-Nr.: 17.32/5146
|
|
|
Randbemerkungen über das Medium
Die nachfolgend aufgezeichneten Bemerkungen zählen zu
den aufschlussreichsten Erkenntnissen die bisher aus dem
antarktischen Staub ermittelt werden konnte. Das dazu
benutzte Medium wich unmittelbar nach dem Kontakt mit dem
Staub auf auffällige Weise von den üblichen
Verhaltensmustern der rund 27.000 zuvor benutzten Medien
ab. Das Medium, ein gewisser Dr. Rigobert Balz hatte sich
als drittklassiger Science-Fiction-Autor mit skurrillen
Geschichten über intragalaktische Evolutionsoptimierung
mehr schlecht als recht durch ein eher ereignisloses
Leben geschlagen. Kaum dass er mit dem Staub in Kontakt
gebracht worden war verfiel er in einen schauerlichen
Zitteranfall. Speichel lief ihm aus dem Mund und
kurzfristig dachten die anwesenden Mediziner an einen
Versuchsabbruch. Dann verfiel Balz in einen monotonen
Diktierstil. Die untenstehenden Notizen sind eine
gekürzte aber fast lautgetreue Wiedregabe der
Aufzeichnungen Balzens. Unmittelbar nach Beendigung
seines 13stündigen Monologes sackte Balz in sich
zusammen. Sein Gesicht war gezeichnet von Erschöpfung
und Zufriedenheit. Hier nun ein Auszug aus den
Balzen`schen Notizen:
|
|
Neuronale Unternehmen
Evolutionäre Ökonomie
|
Schöpferische Blindheit.
Kraftvolle Statistiererei. Vorwärts zu neuen Formen,
Abläufen, Produkten. Laufende Kreation. Die Götze hat
gesiegt und wird immer siegen. Wer dabei ist hat noch
nicht verloren. Gewinner gibt es keine. Die Götze
gewinnt. Die Biologisierung der Ökonomie vollzug sich
schleichend. Dann war sie da und ging nicht mehr weg. Sie
war zu erfolgreich als dass sie Konkurrenz erlaubt
hätte. Sie war da und blieb. |
|
|
Alles funktionierte ganz
einfach. Firmen wurden geboren, sie wuchsen heran und sie
starben. Mussten sterben. Zwang der Optimierung. |
|
|
Alles war ganz
übersichtlich. Aktien waren die Gene. Eine Aktie war
eine ausführubare Anweisung für Menschen. Aktien waren
identisch mit Software. Aktien waren Normen. Aktien waren
architektonische Bauanweisungen für Firmengebäude.
Aktien waren genetische Bauanweisungen für gentechnisch
optimierte Mitarbeiter. Aktien waren Anweisungen für die
Gehaltsfindung von Mitarbeitern, Aktien waren klare
Organisationsstrukturen. Patente waren Aktien. |
|
Gibt es bald ökonomisch verwertbare
Bauanleitungen für Menschen? |
Und Aktien waren an der
Börse notiert. Wer eine bestimmte Kommunikationssoftware
einsetzen wollte, musste sich die Aktie dazu kaufen.
Aktien waren Lizenzen. |
|
|
Ein Unternehmen ware eine
Ansammlung von Aktien. Die Aktien bestimmten was ein
Unternehmen war: Softwareaktien, Organisationsaktien,
Mitarbeiteraktien, Produktaktien. Aktien waren Gene. |
|
|
Die Geburt eines
Unternehmens war identisch mit der Definition einer Menge
von Aktien die fortan das Unternehmen prägten. Es gab
kleine Unternehmen die aus zwöltausend Aktien bestanden
und große Unternehmen die aus 200 Aktien bestanden. Aus
der ursprünglichen Menge aller Aktiengene entwickelte
sich in Wechselwirkung mit der Umwelt das Unternehmen.
Aktien waren die Information die ein Unternehmen formte.
Sollte eine neue Abteilung aufgebaut werden, so wurde in
den entsprechenden Aktien nachgelesen, wie dies zu
geschehen habe: Lesen der DNA. Manche Aktien beschrieben,
wie Mitarbeiter gezüchtet oder ausgebildet werden
sollten, wenn bestimmte Arbeiten zu verrichten waren:
Proteinsynthese. Die Aktieninformtion eines Unternehmens,
dessen Genstrang also passten auf einen Datenträger von
der Größe eines Fingernagels. Die Gene des Unternehmens
waren über jeden Computerterminal verfügbar und manchen
Mitarbeitern wurden sie als postzerebrales Bioimplantat
nachträglich in ihre Erinnerungsstruktur injiziert. Die
Genaktien waren in jeder Zelle eines Unternehmens
vorhanden. |
|
|
Warf ein Unternehmen viel
Gewinn ab, so wurde dieser an die Börse abgeführt. Die
Börse entschied dann aufgrund statistischer Analysen,
welche Aktienkombinationen die besten Renditen abwarfen.
Das waren gute Organismen. Aktientupel als Lebewesen.
Solche Tupel wurden nach den Gesetzmäßigkeiten einer
heuristisch-statistischen Optimierung rekombiniert:
Meiose. Manche Aktien wurden an den Börsen per
Zufallsgenerator oder per Eingriff von Menschen leicht
verändert: Mutationen. Beispiel: Eine Aktie sagt, dass
das Mindestalter für Abteilungsleiter 56 Jahre betragen
muss. Mutation erzeugt neue Aktie: Mindesalter für
Abteilungsleiter muss 28 Jahre betragen. Die meisten
Mutationen sind lethal für neugeborene Unternehmen.
Optimierung braucht Zeit. Ökonomie in geologischen
Zeiträumen und galaktischen Massstäben. Der Kosmos als
Ökonomische Optimierungsarena. |
|
|
Und die Unternehmen lebten
wie Menschen. Junge Unternehmen bildeten Nervennetze aus
die sich in den ersten Jahren dendritisch und axonal
innerlich vernetzten. Junge Unternehmen waren
spielerisch, neugierig, unvorsichtig und lebensfroh.
Unternehmen mittleren Alters waren bodenständig und
aktiv. Sie hatten Kraft und die ruhige Wucht der
Erfahrung. Sie beherrschten die Märkte, sie schufen
gezielte Innovation. Sie schlossen sich zu heldenhaften
Konsortien zur Eroberung neuer Märkte zusammen. Alte
Unternehmen waren ängstlich, misstrauisch. Ihre
Kommunikationsnervennezte zerfielen irreparabel. Der Tod
war gewollt. Er war programmiert. Es gab eine Todesaktie.
Forderung der Börse. Ohne Todesaktie keine
Unternehmensgeburt. |
|
Menschliche Kleingruppen als neuronale Netze
(1995) |
|
|
|
Dieser Ausschnitt aus
Balzens Notizen zeigt deutlich worum es geht: Balz
zeichnet das Bild einer zukünftigen Ökonomie in der
Unternehmen wie Organismen geboren werden und sich als
Wechselwirkung zwischen genetischer Information (Aktien)
und ihrer Umwelt (Märkte, andere Unternehmen)
entwickeln. |
|
Meldungen von Zeitungen aus dem Jahr 2001 |
Das unmittelbare Ableben
Balzens mit Beendigung seines Monologes erlaubte es
unserer Psychochronologen nur eingeschränkt zu erkunden,
inwiefern Balzen nur seine eigenen Phantasien aus seinen
drittklassigen Büchern zu neuem Garn verwob oder ob er
tatsächlich durch den Staub inspiriert war. Für letzte
These spricht die Tatsache, dass Balz eine Fülle von
Worten benutzte, die sich nirgends in seinen Werken fand. |
|
|
Inzwischen wurden die
Visionen Balzens in ein real erprobbares Konzept einer
Ökonomie übersetzt und in einem kontrollierten
Wirtschaftsraum der südlichen Halbkugel getestet. Die
ersten Ergebnisse sind ermutigend. |
|
|
|
|
|
Eine Ebene höher |
Oberste Ebene |
|
|
Kontakt
|