Stimmungen: in einem Menschen
archiviert im April 2002

Körperliche und geistige Ressourcen von Menschen müssen möglichst koordiniert und der momentanen Situation angepasst genutzt werden. Wenn das Gehirn beispielsweise eine unmittelbare Gefahr erkennt, müssen Körper und Wahrnehmung ihre Kapazitäten gegebenenfalls auf einen bevorstehenden Kampf einstellen. Es dürfen keine Ressourcen auf Aktivitäten wie etwa Verdauung oder die geistige Beschäftigung mit Urlaubsplänen oder Entspannung verschwendet werden.

Es sind Stimmungen, Emotionen, Affekte die diese koordinierende Funktion in unseren Köpfen einnehmen. Stimmungen können gut als komplexe Wahrnehmungs- und Handlungsdispositionen aufgefasst werden: eine konzertierte Ausrichtung der Ressourcen eines Organismus auf eine gemeinsame Aufgabe.

Ein Ehepaar geht im Urlaub durch einen dichten, dunklen Wald spazieren.


Wahrnehmungssteuerung durch Stimmung

Die Frau sieht in dem Wald keine Gefahr. Sie ist ruhig, ihr Puls schlägt normal, ihr Muskeltonus ist dem Laufen angepasst, die Verdauung läuft weiter. Ihre Wahrnehmung sieht vor allem Schönes: sie nimmt die warmen Farben des Sonnenunterganges wahr, sieht in den Bäumen organisch-freundliche Formen. Sie erinnert sich an gemütliche Abende am Kamin. Ein Knistern im Unterholz erregt ihr Interesse: Baut da ein Vogel sein Nest oder huscht ein Igel daher? Die Wahrnehmung färbt die Sinneseindrücke wohlig, angenehm und freundlich ein. Das Gehirn sucht nach einem schönen bemoosten Platz für eine kleine gemütlich Rast.

Der Mann erlebt die gleiche Situation ganz anders. Vor dem Spaziergang wurde er von Einheimischen gewarnt: wilde Hunde und Tollwot würden den Wald unsicher machen. Der Mann ist erregt: Adrenalin, hoher Muskeltonus, erhöhter Puls, geschärfte Wahrnehmung. Ist das Knistern im Unterholz ein tollwütiger Fuchs? Der kahle Baum dort sieht aus wie Skelett und in der Tanne erkennt man die Formen wilder Monster. Die Wahrnehmung konstruiert aus dem Gesehenen alle möglichen Bedrohlichkeiten, um tatsächliche Gefahren schnell erkennen zu können. Die Erinnerung kramt ständig in alten Horrorgeschichten. Ständig spielt das Gehirn Flucht- und Deckungsmöglichkeiten durch. Körper und Geist sind auf Gefahr und Kampf optimal eingestimmt.


Stimmungen: in sozialen Verbänden
archiviert im April 2002

So wie Menschen über ihre Stimmung ihre Ressourcen auf ein Ziel ausrichten, so tun es auch größere soziale Verbände, wie etwa Staaten.

Eine politische Einheit bereitet sich auf den Krieg vor
Ein Staat in Kriegsstimmung

Gerät ein Staat in Kriegsstimmung, so richtet er seinen "Körper" darauf ein: die Rüstungsproduktion wird angekurbelt, Reservisten werden eingezogen, es werden Vorräte an Lebensmitteln und Treibstoffen angelegt, die Bevölkerung wird geschult, es werden Gasmasken ausgegeben und angeblich sollen in solchen Situationen auch mehr Buben als Mädchen geboren werden.

Aber auch die Wahrnehmung des Staates kann sich verändern. Spione erhalten spezifische Aufträge, Beobachtungssatelliten werden umprogrammiert. Diplomatische Äußerungen anderer Staaten werden anders als in Friedenszeiten bewertet und unerklärliche Aktionen des potentiellen Feindes werden schneller als sonst als feindlichen Akt gewertet.

Unterstellt man, dass Stimmungen und Emotionen einen wesentlichen Faktor für den Erfolg von Organismen oder auch sozialen Verbänden ausmachen, wie kann dann dieser Gedanke auf ein Unternehmen übertragen werden? Wären die untestehenden Beispiele sinnvolle Stimmungen mit sinnvollen Begleitmassnahmen?

Stimmung: drohende Illiquidität

Kurzarbeit, Suche nach Liquiditätsreserven, erhöhte Aufmerksamkeit für potentielle Investoren/Geldgeber, beschleunigte Bearbeitung von Aufträgen mit schneller Rechnungsbegleichung, erhöhte Aktivität in Richtung Banken, erhöhte Gesprächsbereitschaft gegenüber Gläubigern, Einstimmung des Betriebsrates auf etwaigen Lohnverzicht von Mitarbeitern, Personalabteilung stellt keine Personen ein, Ressourcen aus langfristigen Projekten abziehen...

Stimmung: Expansionskurs

Werbung für neue Aktienemittierung, umfangreiche Personaleinstellungen, Konzeptionierung neuer operativer Felder, Schulungen einrichten, Entwicklung neuer Controllinginstrumente anregen, Ressourcen in langfristig angelegte Projekte leiten...

Stimmung: harte Konkurrenz

Ressourcen auf Marktbearbeitung leiten, Geldreserven für Preiskampf mobilisieren, aggressiven Lobbyismus betreiben, Personal auf Überstunden vorbereiten, F. u. E. Abteilung erhöht aktivieren, gegebenenfalls den Gegner ausspionieren (zumindest im Auge behalten) aggressive Vertriebsinstrumente ersinnen...

Stimmung: langfristige Aufgabe eines Geschäftsfeldes

Reduzierung von Instandhaltungsaktivitäten und Investitionen in dem betroffenen Bereich, Reduzierung von Personalneueinstellungen, Aufsuchen von potentiellen Kunden für den Verkauf von Liegenschaften oder maschinellen Einrichtungen, Zurückfahren des Angebotes von Mitarbeiterschulungen...