Irrationalität, Quantenphysik und Religion
eine Korrespondenz


   

Zur Bedeutung des Irrationalen

Sie schreiben, dass Sie den Begriff des Irrationalen in die Vorstellungsfähigkeit des Gehirns verlegen, ihn mit Zuständen in Verbindung bringen, in denen die Ratio ausgeschaltet ist, wie etwa im Traum, in Trance oder unter Hypnose. Sie schreiben weiter, dass Sie den Begriff des Jenseits durch "Irrationale Wirklichkeit" ersetzen und dort die Welt des Glaubens vermuten.

 

some personal notesA personal search for the meaning of life
Die 1970iger Jahre waren die Zeit meiner Kindheit. Ich erinnere mich noch vage an die letzten Mondlandungen der Amerikaner und welche Faszination davon ausging. Mit Ausdauer verschlang ich Kinderatlanten, las die damals sehr beliebten "Was Ist Was"-Bücher zu allen möglichen Bereichen der Wissenschaft und Technik, ich war tief beeindruckt von Daniel Düsentrieb in den Donald-Duck-Heften. Ein besonders prägendes Erlebnis war der Besuch eines Planetariums im polnischen Olsztyn 1973. Tief sog ich die Aura des Geheimnisvollen in mich auf, als zu mystischen Sphärenklängen der Sternenhimmel über dem antiken Griechenlad aufging und verschiedene Philosophen erschienen. Bereits in der vierten oder fünften Klasse, daran erinnere ich mich sehr genau, war es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass alle Probleme und Fragen der Menschheit mit Hilfe von Wissenschaft und Technik gelöst werden können. Die Realisierung der damals gängigen Visionen von Städten auf den Ozeanen, rotierende Raumstationen im Orbit, Mondstädten und lautlos schwebenden Autos schien mir ausschließlich eine Frage der Zeit zu sein.    
Parallel dazu betrachtete ich aufgrund des Umfeldes in dem ich aufwuchs auch die Existenz eines personalen Gottes als Selbstverständlichkeit.    
Die üblichen Widersprüche zwischen gängigen Religionsvorstellungen und dem Vertrauen auf den Anspruch der klassischen Wissenschaft alle Bereiche der Realität erklären zu können wurden mir etwa im Alter von 14 Jahren bewusst:    
  • Freiheit des Willens kontra allbeherrschender Kausalität
  • Theodizee: wie kann Gott gerecht und allmächtig zugleich sein?
   
Um 1982 legte ich mir dann einen der ersten Computer für Privatpersonen zu, den ZX81 von Sinclair. Die klare Logik einer Programmiersprache und der sich bereits damals abzeichnende Erfolg von Computern bestätigten mich darin, dass die Wissenschaft, die Logik, die Ratio näher an der Wahrheit liegen als die Religionen. Es war die Zeit als die ersten Space Shuttles in Florida starteten.    
Religionen, dies war nun eine Offensichtlichkeit für mich, waren bestenfalls kulturelle Phänomene, Objekte der Kuriosität für Historiker.    
Zum Ende meiner Schulzeit und einige Jahre danach interessierte ich mich vor allem für die Biologie. Wie überzeugend konnte menschliches Verhalten aus der Gedankenwelt der Evolution heraus erklärt werden. All unser Tun dient dem Erhalt der Art oder der Verbreitung der eigenen Gene - je nach Sichtweise.   LiteraturtippsLiteratur über die Erklärbarkeit menschlichen Verhaltens
Es war irgendwann zu Beginn meiner Zivildienstzeit dass mich auf einmal die Frage bewegte, unter welchen Umständen denn die Idee eines Göttlichen in mein Weltbild zurückkehren dürfte. Die größte Hürde schien mir damals die offensichtliche Gültigkeit von Naturgesetzen zu sein: was von Gesetzmäßigkeiten geregelt wird lässt keinen Platz für göttliches Wirken. So suchte ich nach Bereichen der physikalischen Realität, die nicht allumfassend erklärbar schienen. Dabei stieß ich zwangsläufig auf die Quantenphysik.    
Die Quantenphysik ist voll von unverständlichen Phänomenen. Der Vorstellung räumlicher oder zeitlicher Kontinuität scheint dort kein realer Gehalt zugeordnet werden zu können, die Kausalität scheint nur noch im statistischen Mittel zu gelten und namhafte Wissenschaftler weisen immer wieder auf die Absurdität der Erscheinungen hin.   Kleine Teilchen verhalten sich anders als wie erwartet....Kurze Charakterisierung der Quantenphysik
In der Quantenphysik finden sich also Vorgänge von denen die moderne Wissenschaft selbst behauptet, dass sie nicht abschließend erklärbar seien, dass in ihnen eine Element des Zufälligen wirke. Hinter dem Zufall könnte sich aber auch ein bewusst und gezielt handelnder Wille verstecken. Ein Wille der manche der Quantenereignisse zielorientiert im teleologischen Sinne beeinflusst. Hier also war endlich der Bereich, in dem Gott oder auch ein freier Wille wirken könnten, ohne dass dies der aktuellen Auffassung der etablierten Wissenschaftsgemeinde widerspräche.   Quantenereignisse: Zufall oder gezielte Wirkung eines verborgenen Akteurs?Was ist Zufall?
Es stellte sich aber jetzt das Problem der Geringfügigkeit der Wirkung. Wenn Gott bloß Ereignisse im atomaren oder subatomaren Bereich beeinflussen kann und dabei zusätzlich auch noch an die Einhaltung eines statistischen Mittelwertes denken muß um die Naturgesetze nicht zu verletzen, welchen Sinn könnte man dann in eine solche Welt hineininterpretieren?    
Diese Frage beschäftigt mich seitdem und der Versuch einer Antwort legte die Formulierung von zwei Hypothesen nahe: 1) Gott schenkt aus irgendeinem Grund dieser Welt nur eine begrenzte Aufmerksamkeit und 2) er kann sich dies erlauben, weil die Welt von alleine in die richtige Richtung läuft und nur hin und wieder ein Korrektiv erfordert.   Ein wenig überzeugender Versuch, einen Zweck der Welt zu postuierenQuantenphysik, Religion und der Weltprozess
Aber zurück zum Irrationalen. Seit etwa zwei Jahren zweifle ich zunehmend an der Erkenntnisfähigkeit von uns Menschen. Vieleicht sind wir aufgrund unserer evolutionäre bedingten Denkkategorien nur dazu in der Lage einen sehr begrenzten Ausschnitt der Realität zu erfassen. Vielleicht verstehen wir vom tieferen Wesen des Seins nicht mehr, als ein Regenwurm von Funktionieren der Börse. Diese Vermutung gründet sich auf zwei Gedanken. Zum einen kamen nicht wenige Denker zu dem gleichen bescheidenen Schluß. Zum anderen scheint mir die menschliche Logik in sich widersprüchlich zu sein. Hierzu einige Beispiele:    
Platon gilt als einer der Urväter modernen wissenschaftlichen Denkens. Es finden sich in seinen Schriften jedoch viele Passagen in denen er zunächst scheinbar ganz logische Gedanken und Schlußfolgerungen entwickelt um sie dann letztendlich zu unauflösbaren Widersprüchen zu führen. Platon verwendet zur Illustration den Begriff der Aporie, das heisst "Auswegslosigkeit", wenn er von gedanklichen Sackgassen redet. Letztendliche Erkenntnis kann nicht durch logisches Denken erzwungen werden, sondern sie gleicht eher einer sich plötzlichen einstellenden Schau der Wahrheit

  Eine Seminararbeit, geschrieben 2001Platon, das Irrationale und die Quantenphysik
Ganz ähnlich sieht dies die katholische Kirche. Sie hält als eines ihrer fundamentalen Dogmen daran fest, dass eine letztendliche Erkenntnis der Wahrheit Offenbarungscharakter haben muss, die Wahrheit also erleuchtungsartig über den Suchenden kommt. Es existiert keine lehrbare Logik, kein Regelwerk des Denkens mit dem man zuverlässig zu Wahrheit gelangt.

  LiteraturtippLiteraturtipp: Gottbekenntnisse großer Naturforscher
Ein sehr bemerkenswertes Buch über die Irrationalität individuellen Erlebens hat der Katholik Rudolf Otto in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert geschrieben. Er beschreibt darin in detaillierter Weise Gefühls- und Wahrnehmungszustände die vielen Menschen geläufig sein dürften und interpretiert sie als verschiedene Aspekte göttlichen Seins.

  LiteraturtippRudolf Otto: das Irrationale in der Idee des Göttlichen

Eine Ebene höher