Effektivität
und Weichenereignisse |
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Oftmals hätten Kleinigkeiten in der Weltgeschichte nur ein Bißchen anders laufen müssen, und vieles wäre ganz anders gekommen als es kam: | |||||
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<= So war's:1492, Kolumbus entedeckt Amerika für das Abendland. Der neue Kontinent wird zum mächtigen Katalysator europäischer Kulturdominanz. | ||||
<= So hätte es auch sein können: 1476, Harun al Akbar entdeckt Australien für das Morgenland. Der neue Kontinent wird zum mächtigen Katalysator arabischer Kulturdominanz. | |||||
Betrachten wir einmal zwei, so meine ich, gleichermaßen denkbare Abläufe der Geschichte: | |||||
Die europäische Variante |
Die
arabische Variante
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Der englische Science Fiction Autor Olaf Stapledon schrieb eine charmante 24seitige Kurzgeschichte mit dem Titel "East is West", in der die Geschichte etwas anders verlief als tatsächlich. | |||
1451: Christoph Kolumbus wird in Genua geboren. | 1430: Harun ibn Maghreb wird in Kairo geboren. | ||||
1471: Kolumbus stürzt von einem scheuenden Pferd. Nur knapp verfehlt sein Kopf beim Sturz einen scharfen Stein. Kolumbus überlebt um Haaresbreite. | 1450: Harun gewinnt bei einem waghalsigen Glückspiel ein Vermögen und entschließt sich zum Leben eines Abenteurers. | Wäre Kolumbus zwei Zentimeter weiter nach
rechts gestürzt... Hätte Harun eine 3 statt einer 6 gewürfelt... |
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1492: Kolumbus unterschätzt den Umfang der Erde erheblich und glaubt deshalb auf seiner Seereise jederzeit auf Land stossen zu müssen. Er entdeckt. Amerika, erlangt aber damit kein persönliches Glück. | 1476: Harun hatte sich an mehreren arabischen Lehrstätten ein modernes Weltbild verschafft. Er suchte gezielt nach Landmassen jenseits von Hinterindien. Er entdeckt Westaustralien und nennt sich fortan Harun al Akbar. | Hätte Kolumbus den wahren Erdumfang gekannt... Hätte sich Harun eher für Innerasien als die Seefahrt interessiert... |
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16. Jh.: Europäer plündern in Süd-Amerika. Gestohlenes Gold und Silber überschwemmen die Alte Welt. | 16. Jh.: Araber nutzen ihr technisches Wissen und Organisationstalent und betreiben in Australien vor allem Bergbau. Enge Handelsbeziehungen mit Süd-Ost-Asien. | Hätte es in Süd-Amerika keine Bodenschätze
gegeben... Hätten die Chinesen den Arabern Konkurrenz gemacht... |
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17. Jh.: Politisch und religiös Verfolgte verlassen Europa und besiedeln Nordamerika. Nordamerika wird zum Schmelztiegel revolutionär-modernen Gedankenguts. | 17. Jh.: Vor allem marrokanische, persische und türkische Dissidenten gründen in Australien eigenständige Staaten mit individualistisch-modernem Gepräge. | ||||
18. Jh.: Die USA entstehen. Die ungehemmte Kraft des Individualismus gepaart mit einem Glauben an Wissenschaft und Technik führen zu einem rasanten Wirtschaftswachstum. | 18. Jh.: Die Vereinigten Emirate und Sultanate des Ostens (Australien) werden unabhängig. Rasanter Aufschwung von Wirtschaft und Handel rund um den indisch-pazifischen Raum. Bürgerlich-freiheitliche Grundverfassung. | ||||
19. Jh.: Das Vorbild der USA wirkt auf Europa zurück. Erstarken bürgerlicher Gedanken. Zeitalter europäisch-amerikanischen Imperialismus. Beginnende Beeinflussung aller Weltregionen durch westliche Gedanken. | 19. Jh.: Bürgerliche Revolutionen in vielen islamischen Ländern. Amerika wird von Australien aus arabisch besiedelt. Überhaupt: arabischer Expansionismus. Europa wird in Interessengebiete arabischer Nationalstaaten aufgeteilt. | ||||
20. Jh.: Zeitalter der Industrialisierung und des Nationalismus, materialistisches Weltbild, Mondlandung, Atomenergie, Gentechnik, zwei Weltkriege, Vernichtungslager. | 20. Jh.: Zeitalter der Industrialisierung und des Philosophismus. Unterseeische Städte, Windenergie, ansatzweise Nutzung der Telekinese, monotheistische Weltreligion auf Grundlage eines a-kausalen Weltverständnisses. | ||||
21. Jh.: Zeitalter hybrider Lebensformen. Entgegen aller politischen, moralischen und religiösen Skrupel erzwingt das Kalkül marktwirtschaftlicher Sachzwänge die Verschmelzung biologischer und computerbasierter Bausteine von Intelligenz. | 21. Jh.: Zeitalter hybrider Lebensformen. Religiös-naturwissenschaftlich motiverte Suche nach neuen Bewusstseinsformen führt zur gezielten Kopplung menschlicher Gehirne mit Computerintelligenzen. | Gentechnik, Computer, Nanotechnologie: wie anders würde das 21. Jahrhundert unter arabischen Vorzeichen ablaufen? | |||
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Dieses Beispiel soll zweierlei zeigen. Erstens, wie sehr viel anders wohl die letzten 500 Jahre verlaufen wären, hätte sich in der Geschichte eine klitzekleine Begebenheit ein kleinwenig anders zugetragen: wäre Kolumbus bei einem Sturz von einem Pferd nur ein Bißchen anders gefallen als er es tatsächlich tat, so würde die Welt heute sicherlich ganz anders aussehen. | |||||
Wöllte jemand (z. B. ein jenseitiger Wille) den Gang der Geschichte beeinflussen, so würden ihm dazu vielleicht schon kleinste, gezielte Manipulationen genügen: hätte der einflussnehmende Wille die Gedanken des Kolumbus bei Sturz nur für eine Millisekunde abelenkt, Kolumbus wäre vielleicht schon im Alter von 20 Jahren gestorben. | |||||
Das ist Effektivität. Mit wenig Aufwand viel erreichen. Man kann die Effektivität auch als Bruch schreiben: |
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Es gibt Ereignisse über deren Beeinflussung könnte man mehr gezielte Wirkungen erlangen als über andere. Solche Ereignisse möchte ich Weichenereignisse nennen, da sie vielfach Weichen für spätere Entwicklungen mit größerer Auswirkung stellen. Dazu ein Beispiel: | |||||
<= Menschliches Versagen: welche Auswirkungen könnte der Fehltstart einer Atomrakete haben? | |||||
Stellen wir uns vor, in einem globalen Krisenfall macht eine Nation ihr Atomwaffenarsenal scharf. Per Knopfdruck kann eine Atomrakete gestartet werden. Der Weltenlenker müsste in solcher einer Situation vielleicht nur geringfügigst im Gehirn eines Menschen manipulieren, um eine Katastrophe auszulösen oder zu vermeiden. Eine Ursache der Größenordnung weniger Quanten könnte über das Schicksal der Erde entscheiden. | |||||
Die Wahl der Präsidenten der USA im Jahre 2001 wurde letztendlich vielleicht durch einen Richterspruch entschieden. Die Kontrahenten George Bush Junior und Al Gore standen in landesweiter Zählung gleich, lediglich in Florida hatte Bush einen geringen Vorsprung. Dieser Vorsprung war aber zweifelhaft, da nicht alle Stimmen ordnungsgemäß ausgezählt worden waren. In dem wochenlangen juristischen Hin- und Her um die Auszählung der strittigen Stimmen gabe es viele einzelne Ereignisse, die für sich genommen über den neuen Präsidenten entschieden haben können. Die Geschichte wird es erweisen, ob der Gewinner, Bush, nicht nur andeutungsweise auf Konfrontation mit Rußland und China geht, sondern sehr viel weiter von der eher konsensbedachten Politik seines Vorgängers Clinton abweicht als der ehemalige Vizepräsident Al Gore dies getan hätte und welches Ausmaß an Folgen dies für die Weltgeschichte bringen wird. Rückblickend wird man vielleicht einmal sagen können, daß die Beeinflussung eines Richters in Florida im Jahre 2001 zur Auslösung eines Weltkrieges mit China, einer Klimakatastrophe oder aber der Errichtung eines Weltstaates beigetragen hat (oder nicht). | Wahl des US-Präsidenten 2001 | ||||
Das Beispiel von Kolumbus und Harun soll aber auch zeigen, dass der Gang der Geschichte aus ausreichend großer Entfernung betrachtet vielleicht doch ganze bestimmte Entwicklungsstufen durchläuft, dass es so etwas wie einen vorgezeichneten Weltprozess gibt, Attraktoren im Weltenchaos: Zeitalter von Entdeckung => Imperialismus => erstarkendes Bürgertum => Industrialisierung => Nationalismus => Marktwirtschaft => Evolutionssprung => ??? | Die marxistische Geschichtsauffassung ist in dem Sinne materialistisch. | ||||
Jedes Weichenereignis hat eine Reichweite, das heißt ein Ausmaß der Wirkung. Ob nun 1492 Kolumbus Amerika entdeckte oder 30 Jahre später ein englischer Pirat war sicherlich für die Geschichte der Menschheit bis heute von großer Bedeutung. Aber bis zum Jahre 2500 werden bestimmt Ereignisse eingetreten sein, die gekommen wären ganz gleich von wem und wann Amerika entdeckt worden war. Raketen, Computer und Schiffe mit Schraubenantrieb wären erfunden worden unabhängig von den Umständen der Entdeckung Amerikas. Die Reichweite des Ereignisses wer wann Amerika entdeckte liegt in der Größenordnung von einigen Jahrhunderten und betrifft die ganze Erde. Mehr nicht. | Reichweite von Weichenereignissen | ||||
Beschränkt man seine Sichtweite auf Reichweiten einiger Jahre und kleinerer Umfelder werden auf einmal auch familiäre Dinge zu Weichenereignissen. Was man als Weichenereignis bezeichnen sollte hängt von den betrachteten Reichweiten ab. Auf welcher Ebene des Diesseits also der jenseitige Wille einzugreifen beginnt, kann durchaus von der Reichweite seiner Ziel abhängen. | Die Wegewelt | ||||
Es sind aber in jedem Falle Weichenereignisse auf deren Beeinflussung sich ein jenseitiger Wille konzentrieren würde, falls der Umfang seiner Einflußnahme beschränkt ist. | |||||
Über die lebenden Gehirne von Tieren könnte ein freier Wille die Umwelt effektiver beeinflussen als über tote Materie und über die Gehirne von Menschen noch einmal effektiver als über die Gehirne von Tieren. Ein freier Wille aus dem Jenseits dürfte sich also vornehmlich um solche Gebilde in unserem Diesseits kümmern, die oft an Weichenereignissen hoher Reichweiten beteiligt sind. Und das sind zur Zeit auf der Erde ganz sicher eher Menschen als Steine, Pflanzen oder Tiere. Aus diesem Grunde haben wir ein Bewusstsein und Steine wahrscheinlich nicht (oder deutlich weniger). |
Der Jesuit und Naturforscher Teilhard de
Chardin glaubt im Kosmos einen Drang hin zu
christlicher Vergeistigung zu erkennen (Stichwort: W-Punkt). Fachartikel über stabilisierende, ordnungschaffende Einflüsse statistischer Effekte auf chaotische Systeme, vor allem am Beispiel des Wetters erklärt. |
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Zur Animation: Im Diesseits (gelb)
entstehen über evolutive Prozesse immer effektivere
Strukturen: von Molekülen über Zellen, Organismen,
planetare Intelligenzen bis hin zu beseelten Galaxien. Das Jenseits (blauer Computer) greift gezielt hier und da steuernd in das Geschehen ein. Die Steuerung erfolgt über die Manipulation einzelner Quantenereignisse, symbolisiert als rote Strahlen. |
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Literatur zu geschichtlichen Scheidepunkten Cowley, R.: More What If?. Macmillan, London, 448 Seiten. Erschienen: 2002. ISBN: 0333905105 Cowley, R.: What If? : The World's Foremost Military Historians Imagine What Might Have Been. Berkley Publishing Group. 395 Seiten. Erschienen: 2002. ISBN: 0425176428 |
Erweiterte Literaturliste über Religion, Physik und den Gedanken eines Weltprozesses | ||||