Unschärferelation und Graviton: Löcher in der
Wand zwischen Jenseits und Diesseits
Wie könnte konkret die Beschränkung der
Wechselwirkung zwischen dem Jenseits und dem Diesseits
aussehen? Was bestimmt also die Grösse der Löcher in
dem Bild von der Lochwand
zwischen Jenseits und Diesseits? Hier sind sehr viele
Antworten denkbar. Ich möchte zwei davon vorschlagen:
die quantenphysikalische Unschärfe und das
"Graviton".
Das Prinzip der quantenphysikalischen
Unschärfe besagt, dass es verschiedene
physikalische Grössen gibt, die derart miteinander
gekoppelt sind, dass für ein bestimmtes Teilchen, ein
Quant, die Präzisierung der einen Grösse zwangsläufig
eine erhöhte Freiheit für die andere Grösse nach sich
zieht. Derart miteinander gekoppelt sind beispielsweise
die Grössen Impuls und Ort sowie Zeit und Energie. Je
genauer man den Ort von zum Beispiel einem Elektron
bestimmen möchte, desto ungenauer muss zwangsläufig die
Bestimmung des Impulses ausfallen. Und bezogen auf
Energie und Zeit ergibt sich die Konsequenz: je kleiner
der betrachtete Zeitraum ist, desto mehr kann die
betrachtete Energie vom Energieerhaltungssatz abweichen.
Zur Zeit ist man sich in der Wissenschaft uneinig
darüber, ob die Unschärferelation die Begrenzung
messtechnischer Möglichkeiten widerspiegelt (je genauer
man ein Elektron lokalisieren will, desto
hochenergetischer muss die dazu verwendete
elektromagnetische Strahlung sein, desto mehr wird der
Impuls des Elektrons beeinflusst) oder ob sich dahinter
eine reelle Begebenheit verhält: je näher zwei Punkte
zusammenliegen, desto mehr kann dazwischen der Impuls des
Teilchens variieren.
Für die zweite Deutung spricht der Tunneleffekt,
dem wir unter anderem das Leuchten der Sonne
verdanken: Die Sonne bezieht ihre Energie aus der
Verschmelzung von Wasserstoff- zu Heliumatomkernen. Nun
stossen sich aber die Wasserstoffkerne aufgrund ihrer
elektrischen Ladung derart stark ab, dass sie niemals
ausreichend nahe für eine Verschmelzung zusammenkommen
dürften. Die Sonne wäre ein toter Gasball. Selbst mit
der relativ hohen kinetischen Energie der
Wasserstoffatome, die der hohen Temperatur der Sonne
entspricht, würden Wasserstoffatome nur sehr selten oder
nie ausreichend nahe für eine Verschmelzung
zsuammenkommen. Da aber die Unschärferelation den Kernen
erlaubt, für kurze Zeiten andere Enegiezustände als
klassisch erlaubt anzunehmen, können sich die Kerne
kurzfristig über die Naturgesetze hinwegsetzen und die
Sonne leuchten lassen.
Für den in der Theorie von der beschränkten Kupplung
postulierten jenseitigen Willen bedeutet dies eine
konkrete Quantifizierung seiner Handlungsfreiheit:
"Willst du die eine Grösse manipulieren, nennt dir
die andere die Grenze. Je mehr Energie du etwa in einem
Atom manipulieren willst, desto kürzer muss der Zeitraum
sein, in dem dies geschieht."
Für alle derart gekoppelten, komplementären Grössen
gilt die Formel, dass das Produkt ihrer Unschärfe
niemals kleiner als das Planck`sche
Wirkungsquantum sein kann. Je kleiner das
Planck`sche Wirkungsquantum ist, desto mehr sind die
Quantenteile an deterministische Gesetze gebunden. Je
grösser es ist, desto mehr Freiheit haben die Quanten,
sich von den klasssichen Naturgesetzen fortzubewegen. Die
Grösse des Planck`schen Wirkungsquantums könnte also
ein Mass für den Radius der Löcher in der Wand zwischen
dem Jenseits und Diesseits sein.
Roger Penrose führt im 8.
Kapitel seines Buches "Computerdenken"
den Gedanken des Gravitons ein. Die
Bedeutung dieses Gedankens setzt mehr oder minder die
Lektüre einiger Teile seines Buches voraus, weshalb der
Begriff hier nicht ausreichend erklärt, sondern nur
benutzt werden soll.
Das "Graviton" ist der Vorschlag einer Antwort
auf die Frage: wann findet eine Reduktion der
deterministischen Wellenfunktion auf einen konkreten
Zustand hin statt, wann also "kollabiert" die
Wellenfunktion in einen Zustand? Wann wird ein Quant dazu
gezwungen sich für einen von theoretisch sehr
vielen erlaubten (mehr oder minder wahrscheinlichen)
Aufenthaltsorten, Impulsen, Energiezuständen etc. zu
entscheiden?
Auch diese Frage wird von namhaften
Wissenschaftlern unterschiedlich beantwortet. Die einen
sagen: "wannimmer ein bewusster Geist eine
Beobachtung durchführen will" (Kopenhagener
Deutung), die anderen sagen "wannimmer eine
ausreichend grosse Wechselwirkung mit Materie
stattfindet". Penrose sagt: "... sobald die
Differenz zwischen den Gravitationsfeldern der
verschiedenen Alternativen das Ein-Graviton-Niveau
erreicht".
Wenn Quantenteilchen von einer Lampe ausgesendet werden,
so pflanzen sich zunächst nur die Wahrscheinlichkeitswellen
fort. Dies geschieht nach eindeutig formelmässig
erfassbaren Prinzipien. Ob während dieses Prozesses das
Teilchen reell als Materie existiert oder nicht ist
vollkommen unerheblich. Jede Wahrscheinlichkeitswelle
liefert als Ergebnis verschiede mögliche Aufenthaltsorte
des Quants. Betrachtet man also die
Wahrscheinlichkeitswellen aller Quantenteilchen in ihrer
Gesamtheit, so entsteht sehr schnell eine Fülle
möglicher Kombinationen von Aufenthaltsorten der
Quanten. Und zwischen zwei Arrangements von möglichen
Quantenaufenthaltsorten kann man einen Wert angegeben,
inwiefern sich die jeweils verursachten
Gravitationsfelder unterscheiden. Wenn die grösste
Differenz zwischen zwei möglichen Kombinationen einen
gewissen Wert erreicht -das Graviton- dann werden alle
Quanten gezwungen, sich für einen Moment zu
materialisieren, sich für einen Zustand zu entscheiden.
Dann beginnt das Spiel mit den Wahrscheinlichkeitswellen
von neuem.
Also: je grösser das Graviton ist, desto mehr Alternativen
und Varianten können zwischen zwei konkreten
Zuständen entstehen. Vielleicht saugt das Bewusstsein
genau diese noch nicht konkretisierten Zustände aus dem
Diesseits ab, legt sie dem jenseitigen Willen zur
Begutachtung vor, und dieser entscheidet dann darüber,
wo genau sich die Quanten zu materialisieren haben. Das
Bewusstsein wäre dann also an die labilen überlagerten
Quantenzustände gekoppelt, wie es unter anderem der
Physiker Henry P. Stapp in seinem Buch "Mind,
Matter, and Quantum Mechanics" vorschlägt.
Je grösser das Graviton ist, desto mehr
Alternativen hat der Jenseitige zwischen zwei
Entscheidungsrunden zu begutachten. Dies bedeutet mehr
arbeitet, könnte aber aufgrund besonders interessanter
Alternativen auch ergiebiger sein. Allerdings entstehen
somit viele Alternative Entwicklungen des Universums, die
der Jenseitige zunächst nicht beeinflusst.
Je kleiner das Graviton ist, desto
öfters muss sich der Jenseitige mit dem Diesseits
beschäftigen, aber umso weniger Alternativen hat er pro
Runde zu begutachten. Insgesamt führt er die einzelnen
Entwicklungsschritte dadurch an einer etwas kürzeren
Leine.
Sinnbildlich gesprochen lässt sich der Sachverhalt so
ausdrücken: Falls unser Diesseits eine Computersimulation ist, die der
Jenseitige mit einem bestimmten Ziel angestossen hat und
mit der er sich möglichst wenig beschäftigen will oder
kann, dann ist das Graviton ein Mass dafür, wie sehr der
Jenseitige die Simulation sich selbst überlässt. Je
kleiner das Graviton, desto öfters beschäftigt er sich
mit dem Diesseits, je grösser das Graviton, desto
seltener beschäftigt er sich mit uns.
Vielleicht passt er das Mass des Gravitons als Natur"konstante"
sogar dem jeweiligen Erfolg der laufenden Simulation an.
Je mehr es im Universum nach seinem Willen läuft, desto
weniger muss er sich darum kümmern, desto grösser
stellt er das Graviton ein. Dass Naturkonstanten durchaus
wechselhaft sein könnten, wird insbesondere im Rahmen
der Kosmologie und der Betrachtung der Zustände kurz
nach dem Urknall immer wieder erwogen.
Diese erst ansatzweise durchdachten Überlegungen möchte
ich mit der These zu den Naturkonstanten abschliessen:
Naturkonstanten wie etwa das Planck'sche Wirkungsquantum,
sinder derart justiert, dass im Diesseits die
physikalischen Gegebenheiten für die Entstehung
effizienter, komplexer und intelligenter Systeme gegeben
sind. Zum anderen steuern manche von ihnen das Mass der
Wechselwirkung zwischen Jenseits und Diesseits und die
Intensität mit der sich das Jenseits mit dem Diesseits
beschäftigt.
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