Stanislaw Lem
Peace on Earth

   

Titel: Peace on Earth
Verfasser: Stanislaw Lem
Erscheinungsjahr: 1994
Originaltitel: Pokój na ziemi (1987)
Verlag: Harcourt Brace & Company
ISBN: 0-15-171554-8 (fester Einband), 0-15-6002426 (Taschenbuch)

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Literaturliste zur Hybridisierung von Menschen: Gentechnik, Nanotechnik, Globalisierung, Marktwirtschaft, global brain...Literaturliste zu Endomorphose / hybride Menschen


Das Buch beschreibt die skurrilen Erscheinungen einer ursprünglich genialen Idee: um den Krieg ein für alle Mal von der Erde zu verbannen, wurden alle Waffen auf den Mond verbracht. Dort evoluierten sie von sich aus weiter in strikt nach Nationen abgeschotteten Sektoren. Keine Nation durfte in Erfahrung bringen, welche Waffen in Sektoren anderer Nationen waren. Somit war das Risiko einen Krieg zu gewinnen vollkommen unkalkulierbar und jeder zog deshalb den Frieden vor. Lem nannte dies die "Doktrin der Ignoranz". Als nun einige Dinge nicht ganz nach Plan zu verlaufen scheinen, wird ein Mensch auf den Mond geschickt. Die Geschichte schließt mit einem unerwarteten und offenen Ende.

  Einige Textstellen aus den Sterntagebüchern von Stanislaw Lem: Prof. Corcorans virtuelle MenschenZitate aus Lems "Sterntagebücher" aus dem Jahre 1971: eine Geschichte über virtuelle Menschen, gefangen in Großrechnern

Das Buch behandelt auf freundlich-merkwürdige Weise Aspekte kollektiver Intelligenz, der Evolution, der Spieletheorie und der Verschmelzung von Menschen und Maschinen. Hier nun einige Bemerkungen, Zitate und Stichworte:

   
Der Held des Buches, Ijon Tichy, leidet am "split-brain" Syndrom. Lem benutzt diesen Umstand, um einige Aspekte der Hirnforschung zu beleuchten. Er erwähnt die Forscher Gazzanigi, Hegel, Descartes, Broca und Eccles. Auf burleske Weise illustriert das split-brain-syndrom sowie philosophische Aspekte des Phänomens Bewusstsein. <= ab Seite 6 Eccles brachte die Ideen Bewusstsein und Quantenphysik im Bereich der Synapsen zusammenEinige Zitate von Sir John Eccles über das Phänomen Bewusstsein

Bemerkenswerte Forschungsergebnisse in leserlicher Form zsuammengestellt. Einige Zitate aus dem Buch...Tor Norretranders über das Phänomen Bewusstsein

Ein Arzt erkärt Herrn Tichy seine Krankheit: "The brain, Mr. Tichy, is made up of a great number of functional subsystems, which in a normal person connect in various ways to perform various tasks. In your case the highest systems have been permanently disconnected and thus cannot communicate with each other." <= Seite 13 Bewusstsein in einem Menschen und einem Unternehmen: eine SpekulationBewusstsein als Funktionskonglomerat?

Spekulative Gedanken und einige AnimationenDie Mystik des Bewusstseins

Tichy analysiert sich später selbst: "A certain young philosopher told me that my condition is an impossibility, contradicting all established thought, which says that consciousness is an indivisible thing. The so-called split personaity is essentially a consciousness that alternates between different states joined imperfectly by memory and a sense of identity. It`s not a cake that can be cut into pieces!" <= Seite 18 Holismus von Bewusstsein

Inhaltsangabe einer wissenschafltichen Veröffentlichung von Michael Esfeld (1999)Holismus und Quantenphysik

Tichy möchte gerne eine einzige Persönlichkeit sein: "But I`m not thrilled by the thought of having a democracy established in my head. I want to be less plural, not more." <= Seite 19 Der Pluralismus in der Informationsverarbeitung: Spekulation über das neuronale UnternehmenInnerer Pluralismus als Erfolgsmechanismus von Intelligenz?
Lem liebt tiefgründig skurrile Aussagen: "Human beings are so constructed that they don`t know what they know." <= Seite 23 Der Physiker Albert Einstein über freien WillenAlbert Einstein mit einem ähnlichen Gedanken über den freien Willen
Lem erzählt dann, wie der Krieg entmenschlicht wurde: "Live soldiers surrendered the field to nonliving soldiers, who weren't robots, either, but simply small computers inserted into rockets, self-firing firearms, and tanks like giant bedbugs, flat, because no space was needed for a crew, and if its computer was knocked out, a spare took over. Since command communications were vulnerable to disruption, the machines were made more and more autonomous, and therefore became more and more expensive." <= Seite 24 Ein "gemorphter Mensch" ist der billigste Kanalmolch (selbstevoluierend dazu)Die Idee des Kanalmolches

Kommentar zu einem Artikel aus der ZEIT (2002)"Drohnen" (mannlose Flugzeuge) werden immer öfters eingesetzt (2002)

Themensprung: Amerika will Drohnen in Kriegen einsetzen (Stand 2002)   <= Wird so etwas bald Wirklichkeit? Eine sogenannte Drohne patroulliert über einem befeindeten Inselstaat. Nach einem Zeitungsartikel aus dem Jahre 2002 beabsichtigen die USA demnächst Drohnen in großerem Umfang in Kriegen einzusetzen.
Lem spinnt dann den Gedanken selbst-evoluierender Gebilde, halb Fabrik und halb Maschine: "The planet machines were built by several companies, mostly American. They were unlike anything industry had produced before. Not factories and not robots but something in between. Some resembled giant spiders. Of course there was a lot of debate, a lot of protests that they shouldn`t be armed but used only for mining and that sort of thing, but when it came to transporting the weapons to the moon, it turned out that the countries who could afford it already had self-programming mobile rocket launchers, cannon able to travel underwater, fire-throwers able to travel underground like moles, and laser artillery that could move like tanks and trigger, with salvos of intense radiation, nuclear fusion reactions..." <= Seite 25 Tagebauspinnen und Erzwürmer: eine PhantasieDie Idee des "Bionic Mining"

Spekulationen über "evolutionary economics" (evolutionäre ökonomie): Firmen = Organismen, Aktien = Gene, Fonds = Arten"Genetic Companies": sind Unternehmen darwinistisch evoluierende Organismen

Suchbegriffe für`s InternetSuchbegriffe für'`s Internet: evolutionäre Ökonomie, evolutionary economics, artificial intelligence, adaptive complex systems

Diese Maschinen waren nicht mehr kontrollierbar, denn: "...these new machines worked on a different principle, one borrowed from the natural evolution of plants and animals. These were systems capable of auto-optimization, speciation, and ramification, which means they could change themselves and multiply." <= Seite 25  
Jede Nation hatte nun einen eigenen Sektor auf dem Mond, in dem ihre Waffen evoluieren durften, die Garantie für den Frieden auch auf Erden war: "the so-called doctrine of ignorance. Each government knew that better and better weapons were being created in its sector, but it did not know their value vis-a-vis the weapons being created in the other sectors. It couldn`t know, because the course of any evlutionary process is unforeseeable." <= Seite 27 Die Doktrin der Ignoranz als Garant des Friedens
Angst gab es jedoch, ob nicht die Ergebnisse der technischen Evolution auf dem Mond, einmal die Erde angreifen könnten: "In certain nervous, imaginative minds rose the specter of an attack upon Earth by the nonliving forces of the moon." <= Seite 29 Die Erde bedroht von den Mond-Robotern?
Lem beschreibt dann recht lange die Technik der "remotes" Roboter, die über eine Schnittstelle derart mit Menschen gekoppelt werden können, dass der Mensch vollständig verschmilzt mit dem Körper des "remote". Die Herstellerfirma der ersten remotes machte Werbung mit dem Slogan "Where a man can`t go, a remote can." <= ab Seite 38 remotes...
Die "remotes" gestatten es also, dass Menschen in Form eines Ersatzkörpers überall anwesend sein zu können, ohne wirklich "vor Ort" zu sein. Dies brachte ganz neue Aspekte in das menschliche Leben hinein. So mussten sich die Rechtssysteme mit Themen wie "remote adultery", "remote incest", "remote sadism" und "remote sodomy" auseinandersetzen. <= Seite 42/43 remotes: Mißbräuche
Remotes wurden von Schülern benutzt um Rache an Lehrern zu nehmen und von Kriminellen um Straftaten zu verüben. Sie wurden aber auch zur Erforschung fremder Planeten und im Bergbau eingesetzt.   remotes: seriöse Anwendungen
Derweil wurden die Kosten für elektronische Grundbausteine immer geringer: "Microprocessing elements called chips were replaced by corn, the product of the genetic engineering of a culture of artificial microbes, mainly Silicobacterium logicum wieneri, named after the father of cybernetics." <= Seite 48 Mores Law: Intelligenz wird immer billiger
Waffen, insbesondere Flugzeuge, wurden jedoch zunehmend teurer, was den folgenden Effekt ergab: "The falling curve of the cost of intelligence and the rising curve of the cost of weapons intersected, and at that point began the unhumanization of the armies. The military became unliving." <= Seite 48 Entmenschlichung von Krieg

Moderne (Stand 2002) Kriegsflugzeuge kosten tatsächlich einige 100 Millionen Euro.

Aber das Militär änderte sich noch auf andere Weise: "Intellectronics produced microcomputers as cheap as grass, and neuroentomology finally solved the riddle of social insects who live and work together, communicating in their own language ... The need to miniaturize came from simple facts, but facts that lay outside the military knowledge of the day. Seventy million years ago a huge meteor hit Earth and chilled its climate for centuries, making the dinosaurs defunct but hardly bothering insects and not even touching bacteria. The lesson of paleontology was clear: the greater the destructive force, the smaller the systems that escape it." <= Seite 49 Miniaturisierung der Waffen: Insekten als Waffen und das Aussterben der Dinosaurier
Aber nicht nur das Militär entmenschlichte sich, auch die Industrie tat dasselbe: "Industry was unhumanizing itself, but the robots who replaced workers on the assembly line were not made in the likeness of men; they were, rather, human parts selected and enlarged: a brain with a big steel hand or a brain with eyes." <= Seite 50 Entmenschlichung der Industrie

Werden Roboter und Computer bald alle Menschen als Arbeitskräfte verdrängt haben?Kostenfaktor Mensch: der Nutzen von Menschen in einer Marktwirtschaft

Bald schon war aber das eigentliche Problem der Kriegsführung ein spieletheoretisches oder informationstechnisches: "The most vexing problem in this unhumanized stage of man`s struggle with man turned out to be that of telling friend from foe. In the past it had been done by electronics, using the password principle. Challenged by radio waves, a plane or missile either transmitted back the correct answer or was attacked. This twentieth-centrury method became obsolete. Now the makers of arms borrowed from the plants and animals, from bacteria. For the recognition process they imitated the ways of living species: immune systems, the duel of antigen and antibody, tropism, mimicry, protective coloration, camouflage." <= Seite 51 Die innere Sicherheit wird immer zu einer Frage der richtigen Identifikation von Menschen...Das soziale Immunsystem: ähnliche Gedanken bezüglich innerer Sicherheit
Der Kanalmolch als denkbares Produkt soziointegrativer Degeneration?Im Bezug auf Gesellschaften hatte dies den Effekt, dass einzelne Individuen immer dümmer werden konnten, das Kollektiv als Ganzes aber dadurch an Intelligenz gewann: "People were eliminated from the military anKraftsummelige Panzerlaus: ein anderes Produkt soziointegrativer Degeneration?d then from the weapons industry by a phenomenon called `sociointegrational degeneration.` The individual soldier underwent degeneration: he became smaller and simpler. In the end he had the intelligence of an ant or termite. But the collective of these tiny warriors assumed a greater role." <= Seite 52 Die Ursupper als Metapher für diesen Effekt?Soziointegrative Degeneration: lässt sich dieser Effekt auch auf Volkswirtschaften übertragen: kann ein Land wirtschaftlich erfolgreicher werden, wenn sein Bürger bereit sind, an Autarkie und Intelligenz abzugeben?
Die Politik stand all diesen Entwicklungen hilflos gegenüber, wie an einem besonders zynischen Beispiel deutlich wird: "...it was proved that certain rich nations, helping those less fortunate, put a drug into the supplies of wheat, corn, and cocoa it sold (cheaply), which caused impotence. This was, then, a secret war of birth control. Although the catastrophic consequence of such escalation was obvious - wherein victory was equivalen to defeat for both sides - the politicians continued with business as usual, concerned more about the voters than the future, making fuzzy promises and being increasingly less able to affect the course of real events." <= Seite 55 Ohnmacht der Politik
Intelligenz ist nicht in jedem Fall wünschenswert oder nötig, denn "An intelligent weapon is not an optimal weapon. It can become frightened, for example. Or stop wanting to be a weapon. It can get ideas. A soldier, living or nonliving, shouldn`t get ideas. Intelligence is the multidimensionality of action, and that means freedom." <= Seite 101 Nachteile von Intelligenz
Dies ist einer der Gründe, warum die eigenständige Evolution von Waffen eine Gefahr darstellen kann: "Because he who sows evolution reaps mind. And mind does not wish to serve anyone." <= Seite 101 Geist als Ergebnis von Evolution

Spekulationen über die Zwangsläufigkeit eines WeltprozessesGib es einen "Weltprozess" mit Intelligenz als Nebenprodukt?

Lems Geschichte ist aber immer wieder gespickt mit kleinen Seitenhieben auf die Wissenschaft und Religion, ein häufiges Motiv bei Lem: "Impedance, capacitance, resistance, susceptibility. When engineers don`t know what`s happening, their vocabulary takes on the richness of physicians discussing a hopeless case." und "Halevala liked to say that God, creating the world, didn`t take statistics into account, and when problems started in Paradise He resorted to miracles but by then it was too late." <= Seite 106 Seitenhiebe auf Ingenieure und Religion
Und wenn Lem erst einmal etwas bissig wird: "An astronaut does not get the runs, nor do the amenities malfunction so that his spacesuit fills with piss. Which actually happened to the first American astronaut in his suborbital flight but out of natural historical-patriotic delicacy NASA didn`t mention it to the press." <= Seite 107 Ganz menschliche Dinge
Diese Zitate sollen genügen, um den Stil von Stanislaw Lem zu zeigen. Wie in vielen Büchern von Lem gibt es auch in "Peace on Earth" einige immer wiederkehrende Motive: freundlich-bissige Seitenhiebe auf den Wissenschaftsbetrieb, kollektive Intelligenz, Evolution, Erwähnung bekannter Philosophen und Wissenschaftler sowie Gedankenspiele mit den Problemen der Spieletheorie.

Die Besonderheit dieses Buches liegt in der Tatsache, dass bloß 15 Jahre nach dem Erscheinen einige Dinge tatsächlich wahr zu werden scheinen. Lem lässt in seinem Buch vollkommen offen, ob man die beschriebenen Entwicklungen mit Angst, oder optimistischer Freude erwarten soll. Beides ist denkbar und durchaus auch zulässig, nach Lem.

  Kurzzitate und Kommentare zu einigen Medienmeldungen aus dem Jahr 2002Medienmeldungen aus dem Jahr 2002

   
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