Konrad Lorenz
Induktive und teleologische Psychologie (1942)
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Titel:
Induktive und teleologische Psychologie
In: Über Tierisches und menschliches Vehalten
Autor: Konrad Lorenz
Verlag: R. Piper & Co. Verlag, München, 1965
Erscheinungsjahr: 1984
ISBN: 3-492-10360-x |
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Der deutsche
Biologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz haftet in
vieler Leute Erinnerung mit dem Bild, wie er von Enten
gefolgt schwimmt oder läuft. Die Enten folgen
ihm, da er das erste Wesen war, dass sie beim
Schlüpfen aus dem Ei sahen. Sie halten ihn für ihre
Mutter - und folgen ihm.
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Lorenz legte
in seinen wissenschaftlichen Werken großen Wert auf die
Beobachtung von Lebewesen. Er versuchte jedoch, seine
empirischen Erkenntnisse möglichst gut theoretisch
abzusichern. Auf einigen wenigen Seiten legte er 1942 in
einer Erwiderung von Kritik seitens eines gewissen
"Bierens de Haan" seine damaligen
Ansichten dar.
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Auf diesen
Internetseiten wird zentral die Frage berührt,
inwiefern Leben im Allgemeinen und menschliches Verhalten
im Speziellen determiniert oder frei sind. Lorenz
enthielt sich einer Antwort. Er war bescheidener und
beschränkte sich auf die Formulierung
erkenntnisfördernder Forschungsregeln. Die folgenden
Zitate geben Lorenz` Geist wider. Die Zitate sind einem
größeren Kontext entnommen und geben deshalb in ihrer
isolierten Form auch nicht unbedingt Lorenz` Meinung
wider. Sie zeigen aber recht gut, mit welchen Themen und
Fragen er sich auseinandersetzte. Alle Zitate sind kursiv
geschrieben:
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Zur Startseite (Home) Über diese Seiten...
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Darf ein
Naturforscher sich mit der Aufdeckung einer
arterhaltenden Zweckmäßigkeit zufrieden geben und sich
auf die "Betrachtung" der
"Ganzheitlichkeit" organischer Systeme
beschränken, oder ist er durch Gesetze, die dem inneren
Wesen der Naturwissenschaft anhängen, dazu verpflichtet,
die Frage nach den Ursachen zu stellen?
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<= Seite 380: Kausalität in der
Naturwissenschaft |
Läuft die Welt mechanisch ab?
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Durchaus nicht alle
Lebensvorgänge, ja bei weitem nicht alle
nervenphysiologischenVorgänge sind gleichzeitig auch
seelische, nur ganz wenige und ganz besondere sind das. |
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<= Seite 381: Geist-Seele Phänomen Bewusstsein
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Eine scharf Begrenzung
des Forschungsinteresses, wie es sich in dem Worte
"rein" ausdrückt, ist nur in der Richtung zum
Komplexeren hin wissenschaftlich legitim. Es darf eine
Physik und Chemie geben, die "rein" von
Biologie ist, während die Umkehrung dieses Satzes einen
völligen Unsinn ergibt. Es darf eine Physiologie geben,
die sich um psychologische Tatbestände nicht im
geringsten bekümmert, aber nicht umgekehrt! |
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<= Seite 382: Stufenleiter der Komplexität |
Der Weg kann dabei immer
nur von der Ganzheit zum Element gehen und nicht
umgekehrt. Es liegt nicht im Wesen von C-, N-, O- und
H-Atomen, daß aus ihnen gerade Menschen oder Eichbäume
entstehen müssen. Keine ihrer Eigenschaften macht gerade
diese Endprodukte nötig, und auch eine noch so genaue
Kenntnis aller Eigenschaften der Elemente würde es
grundsätzlich nicht ermöglichen, aus ihnen synthetisch
die organischen Systeme abzuleiten, die aus ihnen
bestehen. Wohl aber haften umgekehrt auch den höchsten
Organismen wesentliche Eigenschaften an, die sich aus der
Art und Struktur ihrer Elemente notwendig ergeben. |
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<= Seite 383: Erlaubte Schlüsse zwischem dem
Komplexen und Einfachen |
Stufen von
Komplexität (frei nach Lorenz):
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Komplexitätssprünge als Weltprozess? |
Die Richtung des
Forschungsweges vom Komplexen zum Einfacheren ist
außerdem noch durch die Geschichte des Organischen,
durch ein einmaliges und reales Kausalgeschehen bestimmt,
das von einfachereren zu komplexeren Systemen geführt
hat, in dem also auch immer Einfacheres die Ursache von
Komplexerem war und nicht umgekehrt. Alle Lebewesen sind
historische Wesen, und ein wirkliches Verstehen ihres
So-Seins ist grundsätzlich nur auf der Grundlage eines
historischen Verstehens jenes einmaligen
Entwicklungsvorgangs möglich... |
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<= Seite 383: Erlaubte Schlüsse zwischem dem
Komplexen und Einfachen |
Die Frage
"wozu" ist eine Besonderheit der Biologie, da
es im anorganischen Geschehen eine systemerhaltende
Zweckmäßigkeit nicht gibt. |
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<= Seite 384: Systemdenken. Einwand: was ist
mit Regelkreisen? |
Das logische und
methodische Verhältnis zwischen kausaler und finaler
Fragestellung ist somit durchaus klar und einfach, man
sollte eigentlich kaum erwarten, daß beide noch jemals
durcheinandergebracht und miteinander verwechselt werden.
Doch kann man es immer wieder erleben, daß die Frage
"warum?" mit einem "damit"
beantwortet wird, ganz als ob mit der Aufdeckung einer
arterhaltenden Funktion die Frage nach den natürlichen
Ursachen schon beantwortet wäre. Besonders in der
Psychologie sind heute noch reichlich Anschauungen
vertreten, die in dieser verworrenen Weise ursächliches
und finales Verstehen durcheinanderwerfen. |
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<= Seite 384: Wissenschaftlich korrektes
"warum" |
Tatsächlich führt eine
einseitig teleologische Betrachtung der Natur
regelmäßig zu einer tiefen Feindseligkeit gegen ihre
Erforschung: wird doch die beschauliche Betrachtung der
Ganzheit, die Menschen ohne Kausalitätsbedürfnis voll
befriedigt, durch ursächliche Erforschung von
Einzelheiten nur gestört. |
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<= Seite 384: Schädlichkeit einseitiger
Teleologie |
Die Teleologen werfen
uns vor, wir sähen vor lauter Bäumen den Wald nicht,
scheinen aber gleichzeitig selbst zu glauben, daß der
Wald in seiner Existenz als "ganzheitliche"
Lebensgemeinschaft in irgendeiner Weise durch die
Erkenntnis bedroht werde, daß er neben anderen
Komponenten auch aus Bäumen bestehe. |
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<= Seite 385: Blindheit der Teleologen |
Ein Mensch fährt mit
einem Auto übers Land. Der Zweck dieses Vorgangs liegt
darin, daß er in einer fernen Stadt einen Vortrag zu
halten hat, dessen weitere Finalität nichts zur Sache
tut. Der Mensch ist "zum Vortragen" da, sein
Auto, das mittelbar derselben Finalität dient, ist
"zum Fahren" da. Der Mann im Auto schwelgt in
der Betrachtung dieser wundervoll ganzheitlichen
Staffelung ineinandergreifender Finalitäten, bewundert
die "vitale Phantasie" des Autokonstrukteurs
und denkt keineswegs daran, sich mit der kleinlichen
Aufgabe zu befassen, die wechselseitigen
Kausalbeziehungen der "Unterganzen" seines
Fahrzeugs, deren "Teilhaftigkeit" er
grundsätzlich leugnet, überhaupt in Betracht zu ziehen.
Da ereignet sich etwas durchaus Häufiges: der Motor
läuft einige Takte unregelmäßig und stellt dann seine
Tätigkeit ein. In diesem Augenblick wird der Insasse
aufs eindrücklichste von der Tatsache überzeugt werden,
daß die "causa finalis" seiner Reise den Wagen
nicht fahren macht, daß, wie ich zu sagen pflege, die
Finalität "nicht auf Zug beanspruchbar" ist.
Wenn es dem Manne nicht gelingt, die Ursachen der
normalen Funktion seines Motoros im allgemeinen und die
der vorliegenden Störung im besonderen zu erkennen, so
ist es um die ganze Finalität seiner Reise geschehen. |
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<= Seite 385: Gleichnis vom Auto |
Die
Vitalisten, die dem kausal analysierenden Naturforscher
vorzuwerfen pflegen, daß er "das Lebewesen zu einer
Maschine herabwürdige", übersehen regelmäßig,
daß Automobile, Dampfschiffe oder Radioapparate nirgends
nach Art des Auerochsen oder des Przewaldskipferdes
"wild vorkommen". |
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<= Seite 386: Vitalisten oder Mensch als
Maschine |
Der Mensch als Maschine
(Laplace Dämon)
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So wenig eine Finalität
eine Lücke in den Ursschenketten zu überbrücken
vermag, aus denen sich die Funktion einer Maschine
zusammensetzt, so wenig befreit sie irgendeine
Organfunktion von ihrer Bindung an die Gesetze
natürlicher Verursachung. Dies gilt grundsätzlich für
alle organischen Vorgänge, und seien es auch solche,
deren Finalität sehr offensichtlich und deren
Kausalität vorläufig völlig unzugänglich ist wie etwa
die von vitalistischen Teleologen immer wieder als
völlig kausalitätslos behandelten Vorgänge der
organischen Regulation oder, unter den "rein
psychischen" Vorgängen, das kausale Denken des
Menschen selbst, dieses regulativste und zielstrebigste
unter allen organischen Geschehen auf diesem Planeten.
Die "Freiheit" und Strukturlosigkeit dieser
Leistungen wird nur durch die geradezu unabsehbar
verwickelte und feine Struktur und Zusammenarbeit der
beteiligten Elemente vorgetäuscht, und sie werden
dementsprechend durch bestimmte Schädigungen ganz ebenso
gestört wie nur irgendwelche Maschinenfunktionen. |
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<= Seite 386: Willensfreiheit? Zufall als Ausweg aus dem Determismus?
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Die finale Bedeutung der
menschlichen Kausalforschung liegt somit darin, daß sie
uns als wichtigster Regulationsfaktor die Mittel in die
Hand gibt, Naturvorgänge zu beherrschen. Ob diese
Vorgänge äußere und anorganische, wie Blitz und Sturm,
oder innere und organische, wie Krankheiten des Leibes
oder Verfallserscheinungen "rein psychischer"
sozialer Verhaltensweisen des Menschen sind, ist dabei
völlig gleichgültig. Nie ist die Verfolgung einer
aktiven Zielsetzung ohne Kausalverständnis möglich,
während die Kausalforschung funktionslos wäre, wenn
nicht die forschende Menschheit nach Zielen strebte. Das
Bestreben, "unter den Weltursachen zu suchen, soweit
es uns nur möglich ist, und ihre Kette nach uns
bekannten Gesetzen, solange sie aneinanderhängt, zu
verfolgen" (Kant), ist somit nicht
"materialistisch" in jenem
weltanschulich-moralischen Sinne, wie es die Teleologen
allzu gerne hinstellen, sondern bedeutet den intensivsten
Dienst an der letzten Finalität alles organischen
Geschehens, indem es uns, wo es Erfolg hatte, die Macht
verleiht, dort helfend und regelnd einzugreifen, wo Werte
in Gefahr sind und wo der ein teleologisch Betrachtende
nur die Hände in den Schoß legen und der verlorenen
Finalität der in die Brüche gehenden Ganzheit hilflos
nachtrauern kann. |
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<= Seite 386: Plädoyer für Forschung nach
Kausalursachen |
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