Genetisierung der Wirtschaft

= Kurzdarstellung =

Aachen
Januar 2003

   
[1] Auf dieser Seite wird in knapper Form und beispielhaft eine Spekulation vorgestellt, wie man wirtschaftliche Branchen vielleicht als evolutionär optimierbare Populationen einrichten könnte.    
[2] Der Nutzen der vorgeschlagenen Ausrichtung ökonomischer Teilsysteme als eine Art genetischer Algorithmus soll darin bestehen, im Einzelfall schwer entwirrbare Kausalgeflechte durch eine Betrachtung langer Zeiträume und einer großen Anzahl von Unternehmen sozusagen statistisch zu durchdringen. Zudem erfolgt eine quasi-automatische Umsetzung der implizit gewonnenen Erkenntnisse.   Das geerbte Hotel, Tankstellen in Vietnam, Tante-Emma-Läden... Beispiele schwer erkennbarer Verhältnisse von Ursache und Wirkung

<= automatisiertes Benchmarking als Nutzen

[3] Die Übertragung evolutionärer Mechanismen auf das Wirtschaftsgeschehen ist heute Gegenstand anspruchsvoller wissenchaftlicher Untersuchungen, jedoch sind die folgenden Gedankenskizzen in Unkenntnis des aktuellen Standes der Forschung geschrieben. Es kann also gut sein, dass ganz ähnlich Ideen bereits durch andere Personen behandelt wurden. Über entsprechende Hinweise würde ich mich sehr freuen.   Darwinism: from analogy to ontology...Beispielhafte Literatur zu "Evolutionary Economics"

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[4] Nun möchte ich zur Skizzierung des Grundgedankens kommen.    
[5] Zunächst möchte ich den Ausgangsstand einer genetisierten Ökonomie skizzieren:

Assoziationssprung: die Bedeutung der Rendite im Kapitalismus

Bild 1: Heutiger Ist-Zustand als Ausgangspunkt einer Genetisierung der Wirtschaft

  <= Beginn der Kurzdarstellung

A: Das Marktgeschehen in der realen Welt

B: Menschen in der realen Welt

C: Flugzeug in der realen Welt

D: Kapital (blaue Substanz)

E: Ein Unternehmen

F: Ein Unternehmen entzieht dem Markt Kapital

G: Ein Unternehmen führt dem Markt Kapital zu

H: Ein Investmentfond

I: Unternehmen führen Kapital an Fond ab

J: Fond führt Kapital an Menschen ab

[6] Die große Kiste (A) im unteren Bildbereich soll die physikalische Realität einer Marktwirtschaft darstellen. In dieser Realität leben Menschen (B), es gibt Flugzeuge (C), Bergwerke, Städte, Häuser und alles andere was eben materiell existiert.   <= physikalische Realität
[7] Innerhalb des Marktgeschehens gibt es Kapital. Dieses ist versinnbildlicht als eine blaue Flüssigkeit (D).   <= Kapital
[8] Unternehmen (E) betätigen sich nun im Markt. Sie bieten Produkte oder Dienstleistungen und entziehen damit dem Markt Kapital. Dieser Vorgang ist bildhaft dargestellt als ein saugender Rüssel (F).   <= Unternehmen nehmen Kapital auf.
[9] Die Unternehmen führen dem Markt aber auch wieder Kapital zu, etwa über Löhne, Steuern, Abgaben oder über Aufträge die sie an andere Unternehmen vergeben (G).   <= Unternehmen geben Kapital ab.
[10] Dann gibt es noch Investmentfonds (H). Ihnen fließt im Erfolgsfall Kapital aus Unternehmen zu (I), zum Beispiel als Rendite aus Aktien. Das Kapital kann innerhalb der Fonds angesammelt werden oder es wird an Menschen (B) aus der Realität ausgezahlt (J).   <= Investmentfonds
[11] Ausgehend von diesem heute realisierten Ist-Zustand könnte man vielleicht über die folgenden Ergänzungen zu einer genetisierten Wirtschaft gelangen.   <= Richtung Genetisierung
[12] Vor allem beschränken sich in einer genetisierten Ökonomie Investmentfonds nicht mehr auf die Zuweisung von Kapital an bestehende Unternehmen. Sie greifen auch nicht mehr nur punktuell in die strategische Ausrichtung von Unternehmen ein.   <= Bisherige Aufgaben von Fonds
[13] Die Kernaufgabe von Investmentfonds in einer genetisierten Wirtschaft ist die Steuerung der Verbreitung von (vermeintlich) erfolgsrelevanten Unternehmensmerkmalen. Dazu gibt es unter anderem zwei Möglichkeiten: Informationen könnten in bestehende Unternehmen "injiziert" werden. Oder aber man gründet neue Unternehmen und benutzt dazu die Informationen besonders erfolgreicher, bestehender Unternehmen. Bevor dieser Punkt weiter unten illustriert wird, soll an dieser Stelle kurz der Begriff erfolgsrelevanter Informationen skizziert werden.   <= Fonds in einer Genwirtschaft
[14] In ganz normalen, heutigen Unternehmen gibt es eine Reihe von Informationen, die einen mehr oder minder großen Einfluss auf den Untenehmenserfolg haben könnten:

Assoziationssprung: neuronale Unternehmensintelligenz und Bewusstsein

Bild 2: Unternehmensgene (rot dargestellt)

 




<= Idee der Unternehmensgene:

  • Unternehmens-
    verfassung
  • Standardsoftware
  • Zertifizierungen
  • Patente
  • Prozessdefinitionen
  • Organigramme
  • Unternehmensleitbild
  • etc.
[15] Bild 2 zeigt eine Büroetage eines ganz normalen Unternehmens. Die Mitarbeiter benutzen in Ordnern niedergelegte Ablaufpläne, Organigramme, Betriebsanweisungen etc. um ihren Alltag zu bestreiten. Standardsoftware zur Regelung unternehmerischer Abläufe legt ebenfalls sehr viel fest. So wie in einer Zelle die DNA zur Regelung alltäglicher Arbeiten (Protheinsynthese) benutzt wird, so benutzt auch ein Unternehmen räumlich verteilte Anweisungen zur Regelung seiner internen Abläufe.   <= Vergleich mit DNA
[16] Man könnten nun all jene Informationen die man einer genetischen Optimierung zuführen möchte ausdrücklich ausweisen und einer zentralen Kontrolle unterwerfen. Man könnte dann den Genbestand eines Unternehmens als die Summe all jener Dokumente auffassen, die einer zentralen Kontrolle unterliegen.   <= Genbestand eines Unternehmens
[17] Und in einem weiteren Schritt könnte man die Kontrolle des Genbestandes eines Unternehmens einem Investmentfond übertragen. Als Fond sei hier nicht das verstanden was man heute unter einem Fond versteht. Ein Fonds in einer genetisierten Ökonomie wäre eher wie die zentrale Verwaltung eines Kettenunternehmens zu verstehen.   <= Fond managt Unternehmensgene
[18] Es wird erkennbar, wie ein zukünftiger Fond in einer genetisierten Wirtschaft sozusagen das Management erfolgsrelevanter Informationen übernehmen könnte. Und dieses Managment könnte mit Hilfe verschiedener Mechanismen evolutionärer Optimierungsstratgegien erfolgen. Ein Beispiel soll der Illustrationen dienen.    
[19] Stellen wir uns vor, einem Fond gehören etwa 600 kleinere Supermärkte in einem Land. Jeder Supermarkt wird als autarke Einheit, als eigenes Unternehmen sozusagen, verstanden. Erwirtschafteter Gewinn eines Supermarktes wird in der Regel an den Fond abgeführt. Ein einzelner Supermarkt verfolgt nicht das Ziel einer Expansion oder einer Vermehrung, er verfolgt lediglich das Ziel, möglichst viel Kapital an den Fond abzuführen.   <= Supermärkte als Beispiel

Was macht einen Tante-Emma-Laden erfolgreich?Tante-Emma-Läden als Beispiel

[20] Der Fond könnte nun in regelmäßigen Abständen ein Ranking, das heisst einen quantitativen Vergleich, der Supermärkte durchführen. Ergebnis des Ranking ist eine nach wirtschaftlichem Erfolg geordnete Liste aller Supermärkte. Nun könnte der Fond zum Beispiel sagen, dass die 10 schlechtesten Unternehmen ihre Unternehmensgene gegen die Gene der 10 besten Unternehmen austauschen müssen. Oder der Fond könnte beschließen, die 10 schlechtesten Supermärkte vollständig zu schließen und 10 ganz neue Supermärkte zu gründen. Die neuen Supermärkte enthielten dann Gene der besten Supermärkte des letzten Ranking.   <= Schlechte Gene werden durch bessere ausgetauscht

Könnte es Sinn machen, dass Unternehmen in ihrer Lebenszeit begrenzt werden?Der Tod von Unternehmen als Grundlage einer Optimierung?

[21] Auf diese Weise würden sich über längere Zeiträume jene Gene verstärkt verbreiten, die einen überdurchschnittlich guten Beitrag zum Unternehmensergebnis leisten.   <= "gute" Gene verbreiten sich
[22] Von dieser Vorstellung gelangt man jetzt zwanglos zu allen möglichen Variationen genetischer Optimierungsstrategien.   <= Variationen genetischer Optimierung
[23] Der Fond könnte einzelne Unternehmen dazu veranlassen, Teilmengen ihrer Gene zum Zwecke einer Variation auszutauschen. Auch Bakterien tauschen Gene aus.   <= Konjugation
[24] Man könnte es einzelnen Unternehmen überlassen ihre Gene paarweise zu verschmelzen und dabei die Gene mehr oder minder zufallsgesteuert zu mischen (geschlechtliche Vermehrung).   <= Rekombination
[25] Man könnte besonders erfolgreiche Unternehmen duplizieren (quasi-Zellteilung).   < Mitose
[26] Und man könnte Mutationen kontrolliert zulassen. Steht etwa in einer Unternehmensverfassung, dass ein Geschlecht in der Belegschaft zu höchstens 70 % vertreten sein darf, so könnte man die Zahl 70 bewusst zum Gegenstand mehr oder minder zufälliger Variationen machen. Alternativ zu einer zufallsgesteuerten Variation von Genen könnte man auch versuchen, einzelne Gene durch gezielte Uberlegungen zu verbessern (Lamarckismus).   <= Mutation

Beispielhafter Genstrang eines Konzerns Der Genstrang eines Konzerns bietet Möglichkeiten zu Variationen.

<= Lamarckismus?

[27] In diesem Modell könnte man auch den Artbegriff auf Unternehmen übertragen. Eine ökonomische Art wäre demnach eine Gruppe von Unternehmen, die ihre Gene untereinander sinnvoll austauschen können, ohne dass infolgedessen alle betroffenen Unternehmen kurz darauf "sterben" würden. Es würde zum Beispiel wahrscheinlich wenig Sinn machen, die kodierte Organisationsstruktur eines Bergwerksunternehmens teilweise oder ganz mit der Organisationsstruktur einer Frisörgeschäftskette zu vermischen. Wahrscheinlich müsste man Bergwerke und Friösgeschäfte zweckmäßigerweise unterschiedlichen Arten zurechnen. Dass in der Realität biologischer Evolution Viren Genfragmente auch über Artgrenzen hinweg transportieren sei hier nicht weiter berücksichtigt.   Investmentfonds entsprechen einer Art.Investmentfond und ökonomische Arten
[28] Versucht man also, Unternehmen als Individuen einer Population zu begreifen und versucht man verschiedene, beständige Informationen innerhalb eines Unternehmens als Gene zu interpretieren, dann öffnen sich sehr viele spekulative Möglichkeiten, biologische Mechanismen zumindest teilweise auf Ökonomien zu übertragen.   Genetic investment trusts (evolutionary economics)Eine etwas andere Kurzdarstellung dieses Themas auf Englisch
[29] Auf dieser Internetseite finden sich weitere Gedankenspiele zu dieser Vorstellung, dass man Unternehmen gezielt als biologische Arten einrichten könnte. Jedoch wird mit diesen Seiten keinerlei wissenschaftlicher Anspruch verfolgt. Es kann höchstens etwas Neugier an dem Thema geweckt werden.  
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Evolutionäre Ökonomie
[30] Mit wissenschaftlichem Anspruch werden solche Gedanken innerhalb des Forschungsfeldes "evolutionary economics" untersucht. Interessierte Personen seien an das "Journal of Evolutionary Economics" des Springer Verlages verwiesen.../HTMLarchiv/01skizzen/011006.gif   Darwinism: from analogy to ontology...Beispielhafte Literatur zu "Evolutionary Economics"
[31] Die Gedanken über eine Genetisierung der Wirtschaft sind Teil übergeordneter Spekulationen zu einem Weltbild: Der Kosmos ist so angelegt, dass die Mechanismen der Evolution stets komplexere Strukturen schaffen. An diese heftet sich Bewusstsein an, um die Abläufe im Kosmos möglichst effizient zu steuern. Demnach könnten auch zukünftige Organisationen ein Bewusstsein erlangen.   Die Mechanismen der Evolution erzeugen immer komplexere Strukturen...Animation zum philosophischen Hintergrund dieser Gedanken

Effizienz als Bild


Literatur:

Dawkins, R.: Das egoistische Gen. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1996. ISBN: 3-499-19609-3. Fesselnde Beschreibung evolutiver Abläufe.

Strickberg: Genetik. Carl Hanser Verlag, 1988. ISBN 3-446-14663-6. Auf rund 800 Seiten gibt das Buch detaillierte Einblicke in biologische, genetische Mechanismen.

   

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Zuletzt bearbeitet: 22. Feb. 2003