Chronik einer Endomorphose,
23. Juli 2000 Familienurlaub auf Juist vom 6. Juli bis zum 22. Juli 2000. Die nachfolgenden Erinnerungen an unseren Familienurlaub auf Juist dienen zweierlei. Zum Ersten sind sie natürlich ein einfaches Tagebuch für uns selbst. Zum Zweiten versuche ich aber auch Dinge zu erwähnen, die sich in den kommenden Jahren verändern könnten. Inhalt: An- und Abreise per Bahn - An- und Abreise per Schiff - Wetter - Dialekt - Politik - Klimawandel - Kinder - Preise - Edeltourismus - Publikum - Veranstaltungen - Bergbau - Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer - Treibgut - Lebewesen - Kuriositäten - Küstenmuseum - Die Juister - Wattwanderung - Der Horizont - Sport -Ausflug nach Norderney - Geschichtliche Einbettung - Literatur - Homepage von Gunter Heim An- und Abreise per Bahn: von Aachen Richterich ging es morgens um halb sechs mit dem Taxi für 22 DM zum Hauptbahnhof Aachen, von dort aus weiter mit reservierten Plätzen im Interregio-Zug "Borkum" nach Emden. Alles klappte hervorragend. Ab Köln war der Bistrowagen besetzt und man konnte Kaffee und Tee genießen (5DM der Becher). Hinter Recklinghausen bis Münster sah man viele Pferde auf Koppeln. Hinter Lingen - das Atomkraftwerk ist gut zu sehen - sieht man bis zur Küste jede Menge Windparks. Von Emden bis Norddeich ging es im Bimmelbahntempo durch die schöne Krummhörn: kleine Dörfer, kaum bis keine Indsutrie aber viele Windräder. Auch auf der Rückfahrt klappte alles mit der Bahn hervorragend. Wir hatten Plätze mit Tisch und Kindersitz. Die ganze Bahnfahrerei kostete inklusive Schiffspassage, einem Fahrrad und Reservierungen rund 350 DM. Unsere Tochter Jennifer bezahlte noch nichts weil sie jünger als sechs Jahre war und wir Erwachsenen hatten eine Bahn Card. Das Bahnpersonal ist mir als auffällig freundlich aufgefallen. An- und Abreise per Schiff: Zur Insel kann man fliegen oder per Schiff anreisen. Hin- und Rückfahrt kostet für Erwachsene 46 und für Kinder 23 DM. Bereits von Norddeich aus erkennt man die Häuser auf Juist und Norderney. Hat man einmal das Ostende von Juist erreicht wird es spannend: die Fähre wird deutlich langsamer und man fährt haarscharf an einer Sandbank mit Seehunden vorbei. Dann geht es parallel zu Juister Südküste Richtung Hafen. Die Fahrrinne wird nicht freigebaggert und ist sehr sehr flach. Sie ist durch kahle Birkenstämme markiert und verläuft streckenweise sehr geschlängelt. Das Schiff muß viele Kurven fahren. Schnelle Fahrt kann dabei nicht gemacht werden. Immer wieder geht ein Ruck oder Zittern durch das Schiff, wenn der Kiel den Grund berührt. Dann werden die Motoren etwas hochgefahren und man sieht im Kielwasser wie sich das an sich grüne Kielwasser je nach Untergrund durch den aufgewühlten Schlamm schwarz (Schlick) oder sandfarben verfärbt. Ein kleineres Ausflugsschiff, die MS Wappen von Juist, fährt sogar dann noch, wenn die Wattflächen jenseits der sehr schmalen Fahrrinne trocken liegen. Auf einer Fahrt nach Noderney hätte man auf "hoher See" vom Schiff aus mit einem verlängerten Besenstiel das trockene Watt berühren können. Seegang gibt es kaum. Lediglich im Gat (Durchlass vom Wattenmeer zur offenen See) zwischen Norderney und Juist kommt manchmal etwas Seegang auf, aber im Schutz des Watts ist alles so ruhig wie auf einer Mainfähre. Wetter: sehr bescheiden. Die ganze Zeit über war es mehr oder minder stark bewölkt. Der längste Sonnenabschnitt während der ganzen Zeit dauerte etwa 3 Stunden. Einem längerem Strandaufenthalt standen entweder Regen, kalter Nordwestwind oder kalte Luft entgegen. Die Lufttemperaturen lagen zwischen 15 und 20 Grad Celsius, die Wassertemperaturen um die 16 Grad Celsius. Dialekt: ich habe kein unverständliches Plattdeutsch gehört (obwohl mir das sehr gefallen hätte). Selbst Einheimische die miteinander in der Öffentlichkeit redeten konnte man gut verstehen. Wie es freilich privat in den Familien und Kneipen aussieht weiß ich nicht. Ich hörte mehr Schwäbisch und Hessisch als Norddeutsch. Politik: Im Stadtrat von Juist sind CDU, SPD, die Grünen und die FDP vertreten. Die CDU kann mit einer Stimme Mehrheit regieren. Es gibt des öfteren Bürgerfragestunden an denen auch Kurgäste teilnehmen können. Klimawandel: In den Medien wird seit einigen Jahren ein möglicher Klimawandel auf der Erde beschworen. Fast jede Woche gibt es dazu Beiträge in den großen Zeitungen. Nun sollte man denken, daß dieses Thema auf den ostfriesischen Inseln, welche ja kaum über den Meeresspiegel herausragen, eine besondere Rolle spielen sollte. Dem scheint aber nicht so zu sein. Folgende Stichpunkte möchte ich festhalten:
Kinder: Juist ist eine sehr kinderfreundliche Insel. Es fahren abgesehen vom Artzt, der Feuerwehr und Polizei keine Autos auf der Insel. Die Pferdefuhrwerke und Fahrradfahrer scheinen auch etwas defensiver im Verkehr eingestellt zu sein als der durchschnittliche Autofahrer. Veranstaltungen wie etwa die Wattführung von Heino Behring sind sehr auf Kinder zugeschnitten. Das Nationalparkhaus richtet sich mit seinen Exponaten und Vorträgen vor allem auch an Kinder. Die Kurverwaltung richtet kostenlose Kinderbelustigung am Strand aus. Es gibt Märchen- und Spielstunden in den zwei Häusern des Gastes auf der Insel, große Spiel- und Tobzimmer die durchweg tagsüber geöffnet sind und vor allem bei Regenwetter ein beliebter Anlaufpunkt für Familien sind. Die evangelische und katholische Kirche richtet Märchen- und Bastelstunden aus. Der Juister Kindergarten veranstaltete über einen ganzen Tag hinweg ein Fest für Kinder. Das Inselkino bringt recht oft Kinderfilme. Es gibt schöne Spielplätze auf der Insel, vor allem direkt am Hafen. Selbst bei schlechtem Wetter konnten wir die Tage meist gut rumbringen. Preise: Juist ist teuer. Man kommt sich vor wie in Schweden. Eine DM entspricht etwa 50 Cent, also einem halben Euro.
Edeltourismus: anders als etwa Sylt oder Norderney verlegt sich Juist anscheinend exklusiv auf Edeltouristen. Insbesondere die hohen Übernachtungskosten und die Unmöglichkeit ein Auto mit auf die Insel zu nehmen dürften sehr viele Menschen abschrecken. Es gibt keinen Campingplatz, keine richtigen Discos, Nachtleben auch nicht, keine Essbuden am Strand, keine "Fun"-Animation, kein Paragliding am Strand, kein Moutainbiking. Viele Gegenden Juists sind aufgrund der Nationalparkverordnung nicht zugänglich. Es gibt auch keine billigen ausländischen Restaurants. Döner, Kebab oder eine Pizza für 6 DM wird man vergeblich suchen. Auch Ramschläden wie "Urban" oder agressive billig-Discounter mit großspurigen Werbetafeln wird man kaum finden. Alles wirkt eher klein, fein und gediegen oder anheimelnd. Meiner Meinung nach kann Juist als Modellbeispiel für einen gelungenen insgesamt schonenden Tourismus nach dem Motto "Qualität statt Quantität" stehen. Publikum: sicherlich hängte es mit den unerschiedlichen Ferienzeiten in den unterschiedlichen Bundesländern zusammen, daß wir viel Schwäbisch und einiges an Hessisch aber weniger Rheinisch und Ruhrpottslang hörten. Es gab viele Familien mit 2 oder mehr Kindern und sehr viele ältere erholungssuchende Menschen. In der Jugendgherberge und im Seeferienheim wohnten auch immer viele Jugendgruppen. Es herrschte insgesamt Ruhe vor. Lediglich am Jachthafen hörte ich an einem Abend einmal laute Krawallsmusik. Ausländische Urlauber scheinen eher eine Rarität zu sein. Ich hörte nur einmal Niederländisch, kein Englisch oder Französisch. Kontakte: wenn ma sich halbwegs offen gibt, findet man sehr schnell Kontakt zu anderen Leuten. Unsere fast sechsjährige Tochter Jenny freundete sich gleich an einem der ersten Tage mit "Lisa aus Langen" an. Lisa war etwa ihr Alter und mit ihrer Oma auf Juist. Auch in der Jugendherberge fanden sich für Jenny immer Spielgefährten. Mit Helena spielte sie fast jeden Tag. Ein Tipp für Erwachsene: ich baute einen riesigen Kanal am Strand, arbeitete an einem Tag 14 Stunden daran. Da das Bauwerk auch bald optisch auffiel blieben einige Leute stehen und man kam schnell ins Gespräch. So entstehen schnell längerlebige Inselbekanntschaften. Es werden sehr viele Veranstaltungen angeboten. Jeden Tag kann man etwas tun. Alles hängt in vielen Schaukästen über die ganze Insel verteilt. Wir machten bei den folgenden Sachen mit:
Bergbau: die Rohstoffgewinnung scheint in der deutschen Nordsee eine untergeordnete Rolle zu spielen:
Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: 1986 wurde diese "Institution" gegründet. Auf Juist ist sie mit einem museumsähnlichen Nationalparkhaus direkt am Kurplatz vertreten.
Die wirtschaftlichen Interessen Juists müssen in den folgenden Punkten mit den Interessen des Nationalparks abgewogen werden:
Treibgut am Strand: Man findet einiges an Treibgut im Spülsaum. Wir sahen unter anderem:
Wir fanden nicht:
Die folgenden Lebewesen konnte ich auf Juist eindeutig erkennen:
Küstenmuseum: Für 4 DM (Kinder 2 DM) kann man das sehr sehenswerte Küstenmuseum besuchen. Zwei Stunden vergehen darin wie im Fluge. Man lernt dort unter anderem:
Die Juister sind wie Menschen anderswo auch. Die Bedienung in den Gaststätten war auffällig gut gelaunt und freundlich. Man hatte nie das Gefühl abgefertigt zu werden. Sehr negativ aufgefallen ist uns allerdings eine Variante von Arroganz die etwas mit allzusicheren Einkünften zu tun zu haben könnte. Mehrere Monate vor unserem Urlaub schrieben wir einen Fahrradverleih an um uns zu erkundigen, ob man den Fahrräder auch im Voraus gegen Vorausbezahlung buchen könne. Der Brief blieb unbeantwortet. In einem Telefonat (wir riefen an) kurz vor Beginn unseres Urlaubes erklärte mir der Fahrradverleiher als ob ich vollkommen begriffsstutzig wäre, daß seine Räder immer vollständig ausgebucht seien und er Vorausbuchungen nicht nötig habe. Den Brief hat er wohl erhalten, es aber nicht für nötig befunden ihn zu beantworten. In einem Supermarkt - der immer gut besucht war - viel die Bedienung durch eine sehr abweisend barsche Art auf. Eine Bekannte erzählte uns, daß sie einmal Postkarten dort kaufte und frug, ob man denn auch Briefmarken dazu bekäme. Dazu die abweisend kanppe Antwort: "das ist extra". Dies aber waren die einzigen negativ-Highlights. Insgesamt herrschte eine entspannte, lässige Atmosphäre vor. Besonders gefiel es mir, daß man selten das Gefühl von Zeitdruck hatte. Wattwanderung: sehr empfehlenswert! Man trifft sich ohne Voranmeldung in der Nähe des Hafens. In einer Gruppe von gut 30 Leuten ging es dann ins Watt. Kosten für zwei Erwachsene und ein Kind: 40 DM. Die meisten Leute gingen barfuß und in kurzer Hose. Man bleibt immer in Sichtweite des Hafens, geht aber doch recht nah an die Fahrrinne nach Borkum heran (westlich des Hafens). Die Tour von Heino Behring ist für Kinder sehr gut geeignet, obwohl sie fast drei Stunden ging kam nie Langeweile auf. Er erklärte unter anderem die folgenden Dinge:
Der Horizont ist weit von Juist aus. Von einer hohen Düne bei guter Sicht sieht man das folgende:
Sport auf Juist: Es gibt keinen Extremsport auf Juist. Sportarten bei denen der "Körperkult" im Vordergrund steht findet man hier kaum oder gar nicht.
Ausflug nach Norderney: Mit der MS Wappen von Juist, einem kleinen Motorschiff kann man für 26 DM als Erwachsener und 13 DM als Kind einen Tagesausflug nach Norderney unternehmen. Die einfache Fahrt dauert etwa 1 Stunde 15 Minuten und ist selbst schon das Geld Wert. Das Schiff fasst gut 100 Personen und ist bei nicht-Strandwetter schnell ausgebucht. Bei niedrigem Wasser schrappt es immer noch in der Fahrrinne auf Grund obwohl es nur 80 cm Tiefgang hat. Norderney selber hat uns gar nicht gefallen. Das was wir an Juist schätzen, fehlt auf Norderney: Bescheidenheit und Ruhe. Gleich am Hafen fährt recht schnell ein Bus und dann ein Laster vor unseren Füßen entlang. Uns fiel direkt auf, wie laut Verkehr ist. Und der Fußweg in die Stadt führt vorbei an einer phantasielos mit Werbezügen bemalten Fassade: "Preiskauf". Dort wo in Juist ein schöner Vorgarten liegt, stehen auf Norderney die Autos. Die Stadt selbst ist quirlig und lebendig. Wahrscheinlich gibt es hier vor allem ein für Jugendliche ein interessanteres Nachtleben als auf Juist. Im Gegensatz zu Juist ist der Strand auf Norderney mit Buhnen bespickt und man sieht überall die großen Stahlleitungen für die Sandvorspülung. Gut 10 Planierraupen (Caterpillar) schieben den künstlich aufgespülten Sand auf dem Strand umher. 300 Tausend Kubikmeter Sand sollen in diesem Sommer aufgespült werden. Die Kosten liegen bei etwa 2 Millionen DM. Auf der Insel verweilte gerade die Fußballmannschaft von Bayer Leverkusen in einem Trainingscamp. Positiv: hier gab es anders als auf Juist eine Deutsche Bank, sodaß wir ohne Zusatzgebühr das Geld für die Jugendherberge abheben konnten (in der JH Juist gibt es noch keine bargeldlose Bezahlung). Geschichtliche Einbettung, was in etwas zur Zeit unseres Urlaubes sonst noch passierte:
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