Chronik einer Endomorphose, 20. Juni 2000

Im Spiegel 24/2000 erschien ein Artikel über die Neugestaltung des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

"Verrichten Deutschlands Intellektuelle ihre Gedankenarbeit auf der falschen Baustelle?" leitet den Artikel ein. "Das Feuilleton der Zukunft", so weiter "müsse sich weniger der Politik widmen als den Fragen der "Robotik" und Gentechnik".

Als Beispiel für diesen Geisteswandel wird die FAZ angeführt, welche in ihrem Feuilleton unter anderem Fragen behandelte wie:

  • "Warum die Zukunft uns nicht braucht"
    behandelt wurde eine Horrorvision: dass der Mensch den Menschen abschafft ­
    durch die Neuerungen der Computer- und Gentechnik
  • Die wöchentliche Fachbeilage "Natur und Wissenschaft" beschäftigt sich derweil mit Neurotransplantation...

Es wird vom Spiegel ein Herr Schirrmacher zitiert, der prophezeit, dass in "den nächsten 30 Jahren ... Maschinen, millionenfach intelligenter als der "FAZ"-lesende Zweibeiner, den Menschen verdrängen."

Wenn nun die Zeitungen - darunter so rennomierte Blätter wie der Spiegel und die FAZ - sich des Themas einer drohenden Verdrängung oder Umformung des Menschen durch neue Technologien intensiv annehmen, dann stellt sich die Frage, wie lange unsere Gesellschaften brauchen werden bis sie es soweit verdaut und akzeptiert haben, daß daraus politische Handlungsweisen werden. Der Grundtenor vieler Veröffentlichungen in Fachliteratur ist, daß man Dinge beschreibt die ohnehin kommen. Wird es einmal eine Willen geben, diese Entwicklungen nicht nur zu bestaunen und sich als Individuum daran anzupassen, sonder sie vielleicht auf der politischen oder wirtschaftlichen Ebene zu steuern? Oder werden die Menschen aus Angst vor der Unvorhersehbarkeit so lange vor dem neuen Drücken und den Kopf in den Sand stecken, bis uns die Entwicklung aufgefressen hat? Im Mittelalter hat der Adel vielfach verkannt, daß die zukünftige Machtbasis nicht Boden und Ständeprivilegien sind, sondern wirtschaftliche Macht. In Ländern wo der Adel sich nicht in einen "Geldadel" verwandeln konnte wie in England, dort wurde er vielfach ganz abgeschafft. Paradebeispiele sind Frankreich nach der Revolution 1792 und Rußland nach der Oktoberrevolution 1917.

Hoffentlich ist die Menschheit so schlau wie der englische Adel und ist bereit sich zu verändern. Was immer dann aus uns wird.

Illusion der Kontrolle