Chronik einer Endomorphose, 15. Mai 2000

Das Wochenmagazin "Der Spiegel", Nr. 19, vom 08. Mai 2000 widmete die Seiten 135 bis 164 den folgenden Beiträgen:

D I E   W E L T   I M   2 1 .   J A H R H U N D E R T

  • Mensch und Maschine wachsen zusammen
  • Chips in der Netzhaut ­ Hilfe für Blinde
  • Der Neurophysiologe Detlef Linke über die Frage der Identität von Menschen mit Schaltkreisen im Hirn
  • Der Brite Kevin Warwick über sein ''Cyborg''-Leben mit unter die Haut gepflanzten Chips
  • Mit Hirnprothesen können Gelähmte wieder gehen

Der Artikel "Kabel im Kopf" von Julia Koch (Seite 136ff) beschreibt erste Schritte auf der Schaffung hybrider Lebensformen. Vollständig gelähmte Personen können bereits heute mit ins Gehirn implantierten Chips Computer derart steuern, daß sie - die Patienten - im Internet surfen können. Künstliche Schallsensoren spielen elektriche Signale unmittelbar ins Gehirn ein und können dort ausgewertet werden. Andere Forscher gehen den umgekehrten Werg und setzen lebende Neuronen auf Computerchips auf. Stand der Technik sind eins zwei Neuronen von Schnecken. Die Autorin nennt zunächst einige Krankheiten welche durch diese Techniken gelindert werden könnten: Alzheimer, Parkinso, Sprach- und Hörschwierigkeiten, Autismus und Schizophrenie werden genannt. Die Autorin spricht aber auch von Visionen, über "den therapeutischen Ansatz hinausgehen", welche für das menschliche Gehirn "eine Art Systemerweiterung" darstellen können. Es ist die Rede von einer "Neuron-Chips-Allianz". "Mit Hilfe biokompatibler Neuroimplantate werde man die Rechen- und Gedächtnisleistung des Gehirns dann nach Belieben aufrüsten können". Was der Artikel nicht ansprach, waren wirtschaftliche Interessen zur Umgestaltung des Menschen. Die Frage nach den schöpferisch-gestaltenden Kräften, welche humanoide Lebensformen der Zukunft gestalten könnten wurde nicht gestellt.

Der Artikel "Fenster zur Welt" von Gerald Trauwetter (Seite 140ff) handelt von künstlichen Sehhilfen für Blinde. Stand der Technik ist eine kleine Kamera, aufgesetzt auf eine Brille, welche Daten an einen Computer weiterleitet der sie etwas aufbereitet und dann über Elektroden elektrische Impulse unmittelbar an Cortexzellen des menschlichen Gehirns weiterleitet. Die Ausrüstung kann bequem an einem Gürtel getragen werden und kostet samt Operation etwa 100.000 DM. Ein Photo von einem amerikanischen Rentner zeigt ein etwa fingerdickes Kabel welches schräg hinter dem rechten Ohr durch den Schädel ins Gehirn führt. Der ehemals vollständig Blinde Proband kann sich inzwischen wieder selbständig durch die Neu Yorker U-Bahn bewegen und grobe Buchstaben lesen, so der Artikel. Das biologische Auge wird bei diese Technik vollständig umgangen. Andere Ansätze versuchen Signale aus Kameras zunächst in die Netzhaut einzuspielen wo ja auch schon eine Informationsverarbeitung stattfindet. Die Möglichkeit das jetzige Sehen von Menschen zu verbessern liegt für den Autoren aber noch einige Jahre in der Zukunft. Am Ende seines Artikels heißt es, daß der amerikanische Rentner nun davon träumt, demnächst Computerbilder unmittelbar ins Gehirn eingespielt zu bekommen. Er würde dann eine Karriere als Internet-Broker andenken. Dieser Artikel führt sehr anschaulich vor Augen, daß die Schnittstellen zum menschlichen Gehirn zunehmen durch technische Einrichtungen ersetzt werden können. Die Frage wofür der Körper dann noch gut sei wurde in dem Artikel nicht angerissen.

Das Essay "Seele im Schaltkreis" von Detlef Linke (Seite 148ff) handelt von praktischen und philosophischen Konsequenzen der Manipulation lebender Materie. Wer hätte die Schuld an einem Verkehrsunfall, wenn ein Fahrer aufgrund einer Sehelektrode eine Verkehrsampel nicht richtig erkennt? Wie ist ein depressiver Mensch rechtlich zu bewerten, der einen patentierten Schaltkreis zu Behebung der Depression in sich trägt. Ist auch der Patient patentiert? Parkinsonkranke bekommen bereits heute lebende Zellen ins Gehirn gepflanzt welche sich dort auch vermehren. Könnten solche Patienten etwaige Straftaten auf die implantierten Zellen schieben? Der Autor versucht in seinem Artikel die Frage nach den besonderen und schützenswerten Eigenschaften von Menschen aufzuzeigen.

Das Interview "Wir waren wie Zwillinge" handelt von einem Professor Warwick der Universität Reading, der sich in einen Cyborg verwandeln will. Die Fragen stellte Jürgen Scriba (Seite 152ff). Der Professor spricht von einem starken Verlangen, sich mit Computern zu verbinden. Er hat sich bereits Transponder unter die Haut implantieren lassen. Ein in der Wohnung installierter Computer erkannte dann die Anwesenheit des Menschen und konnte darauf hin gezielte Aktionen auslösen wie E-Mails vorlesen, Licht oder Musik an- und aumachen. Firmen hätten sich bereits für diese Technik interessiert, um ihre Angestellten besser kontrollieren zu können. Der Forscher denkt auch daran, daß Implantate mit Kassen an Supermärkten kommunizieren könnten. Man geht durch die Kasse und die Elektronik rechnet im Hintergrund ab. Aber auch elektronische Fußfesseln, etwa für Kinderschänder, wurden angesprochen. In einem nächsten Versuchsschritt will Warwick elektrische Impulse aus seinen Armnerven ableiten, in einem Computer abspeichern und anschließend wieder in den Körper zurückspielen. Beispielhaft genannt wurden Sinnesdaten des Tastsinnes. In weiterer Zukunft könnten mit Emotionen gekoppelte Signale gespeichert und anschießend wieder ins Gehirn zurückgespielt werden. Warwick betrachtet diese Experimente lediglich als erste Schritte auf dem Weg zu einer vollständigen Kopplung von Gehirn und Computer. Als Zeitraum für eine Realisierung nennt er 10 Jahre. Mit seiner Frau will er zukünftig Signale über eingepflanzte Implantate austauschen, eine Art Telephathie. Der Artikel endet mit der Frage, wie einfach das Interview hätte durchgeführt werden können, wenn man die Gedanken unmittelbar über Internet ausgetauscht hätte und nicht umständlich über die mehrfache Umwalndlung von mechanischen in Schallsignale. Dieser Artikel zeichnete sich aus durch eine begeisterte Grundhaltung und die Andeutung vieler Anwendungsmöglichkeiten.

Klimakatastrophe