Chronik einer Endomorphose, 01.04.2002 |
Zeitungsartikel aus dem Jahre 2003 | ||||
In seiner April-Ausgabe 2002 berichtet das Life-Style-Magazin "Update" in einem mehrseitigen Bericht über Kupplungsverkäufe einer ganz neuen Art. | |||||
In verschiedenen amerikanischen, asiatischen und europäischen Ländern bietet der Mischkonzern und Global Player "GLifeX" (sprich: dschieh-laif-eks) erstmals Produktpaletten an, die das ganze Leben eines Menschen umfassen. Und noch mehr. Das Motto lautet: | Die Aussprache von GLifeX in deutschsprachigen Ländern ähnelt der Aussprache von "Schleifhex`" mit einem langen "ei". | ||||
total
happiness management... ... from the cradle to the grave... ... and beyond! |
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Der Kunde vom morgen wird in der persönlichen und individuellen Gestaltung seines Lebens umsorgt und behütet. Dabei schafft GLifeX vollständig neue und revolutionäre Produkttypen welche generationsübergreifende Geborgenheit und Gerechtigkeit wieder zu einem zentralen Wert erheben. | Buchtipp: Ray Kurzweil
prophezeit hybride Lebensformen noch für dieses
Jahrhundert Buchttipp: Ersatzteillager Mensch. Ein Buch über die Kommerzialisierung des menschlichen Körpers (1994) |
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Auf Seite der 4 des Artikels von "update" wird dies anhand eines Beispieles illustriert: | |||||
William Smith und seine Frau Eleanor, ein typisches Kundenpaar im Alter von etwa 30 Jahren, schliessen einen Vertrag mit GLifeX der unter anderem die folgenden Leistungen beinhaltet: | |||||
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Was sonst noch passierte, im April 2002:
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GLifeX strebt es als strategisches Ziel an, so der Artikel aus "update", bis zum Jahre 2010 alle Bedürfnisse des menschlichen Lebens vollständig abdecken zu können. | Animation: Mensch wächst mit Computer zusammen | ||||
Beschreibt der Artikel aus "update" zunächst eine Schöne Neue Welt der Zufriedenheit und Geborgenheit, so weist er auch auf stark umstrittene Aspekte dieses neuen Geschäftskonzeptes hin: der Vertrag greife erheblich in das Selbstbestimmungsrecht der jeweils nachfolgenden Generation ein. Dies werde deutlich, wenn man sich die Pflichten der Kunden von GLifeX betrachtet, welche ebenfalls im Ursprungsvertrag festgelegt werden. | Buchtipp: "Schöne Neue Welt" von Aldous Huxley | ||||
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Die politische Debatte über die Präimplantationsdiagnostik, Stand Januar 2001 | ||||
Im Vertrag ist ein umfangreiches Kündigungsrecht zugunsten der Kunden festgelegt. So können die ursprünglichen Vertragsnehmer wie auch deren Kinder jederzeit mit 3monatiger Kündigungsfrist von allen Verbindlichkeiten zurücktreten. Jedoch greift dann ein kompliziertes Regelwerk zur "Erwerbsbestandssicherung", das sogenannte "Mutual Fairness Agreement". GLifeX garantiert allerdings, so der Artikel in "update", dass die Würde und lebenstechnische (Originalwort aus der Werbung) Selbständigkeit der Kunden zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt würden. | Suchtipp zum globalen Gehirn:
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Der Artikel in "update" hinterfragt sehr kritisch, wie denn GLifeX überhaupt Geld verdienen wolle, auf welchem Konzept die Renditeerwartungen fußten. Der Pressesprecher des Konzerns, Dr. (pol) Stanislaw Kesselbeisser führt dazu mit agressiver Offenheit ein sehr umstrittenes Bild der Zukunft der Menschheit aus. | Mensch und Rendite: passt das
überhaupt noch in der gloabilisierten Techno-World? Evolutionäre Ökonomie: Rendite als alleiniges Erfolgsmaß von Unternehmen |
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Demnach, so Kesselbeisser, biete die Menschheit hervorragendes Genmaterial als Grundlage einer Ausdifferenzierung von Individuen. Das in vielen Staatsverfassungen hervorgehobene Recht persönlicher Selbstimmung und Selbstverwirklichung erhalte durch die Chancen der Life Sciences ungeahnte Kreativräume für eine selbstverantwortliche Suche nach Glück und Erfüllung. | |||||
Warum, so Kesselbeisser weiter, soll sich ein Mensch in seiner Ausbildung mit Rechtschreibung bemühen, wenn es Berufe gibt, die entsprechende Fähigkeiten gar nicht von ihm Verlangen? Warum soll ein Mensch nicht genetisch dazu veranlagt werden, Erfüllung in seiner vorbestimmten Aufgabe für die Gesellschaft zu finden? | |||||
Kesselbeisser weist darauf hin, dass sich GLifeX strikt innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegt. Mehr noch. GLifeX lege all sein Tun vollkommen offen solange dies nicht Persönlichkeitsrechten von Menschen kollidiere. So kann jeder Mensch jederzeit die von GLifeX patentierten und bewerteten Sequenzen menschlicher Gene einsehen: sie sind ausführlich dokumentiert im Internet veröffentlicht. | www.GLifeX/prop/... agenda/genes/... opensource/index.htm |
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Lobbyismus gehöre nach Kesselbeisser nicht nur zu den legitimen Rechten einer Unternehmens sondern es sei geradezu eine Pflicht staatsverantwortlicher Unternehmen. Denn, so die Argumentation, wenn ein Unternehmen von seiner Mission überzeugt sei, so sei es doch fahrlässig nicht mit allen gesetzlich zulässigen Mitteln auf das Ziel hinzuarbeiten. Und die Mission von GLifeX sei das Glück aller Menschen. GLifeX strebe es an, dass in den kommenden 30 Jahren eine Quote von mindestens 10% GLifeX`lern in den Organen der staatlichen Verwaltung und Regierung erreicht werde. | |||||
Der Artikel in "update" schließt mit einer persönlichen Vision Kesselbeisser, die sich ausdrücklich nicht zwangsläufig mit der Vision des Unternehmens decken müsse (aber könne). Der Mensch sei dabei in Überwesen - den Unternehmen - aufzugehen. Und die Unternehmen müssen den Menschen Zufriedenheit und Geborgenheit schenken. Die Menschen schenken den Unternehmen dann ihre Loyalität und Schaffenskraft. Ein mehr als fairer Deal, so Kesselbeisser. | Die neuronale Intelligenz von Unternehmen | ||||
Verweise auf weniger optimistische Visionen solcher mehr oder minder gendirigistischer Staats- und Wirtschaftswesen entgegnet Kesselbeisser mit dem Argument, dass letztendlich jede menschliche Handlung und sogar die Unterlassung einer Handlung als Dirigismus interpretiert werden könne. Er und sein Unternehmen seien aber nicht an philosophischen Spitzfindigkeiten interessiert sondern an der Mitarbeit an einer gerechtereren neuen Welt in der jedes Individuum einen sinnvollen Platz erhält und diesen Platz auch gerne einnimmt. | Man darf skeptisch bleiben: John Steinbeck beschreibt in seinem Buch "Die Früchte des Zorns" aus dem Jahre 1939 die seelenlose Macht der Wirtschaft | ||||