Chronik einer Endomorphose, 18. Februar 2001

TH mit Turbo-Rechner
2000 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde

 
Die Aachener Zeitung brachte auf der Titelseite der Samstagsausgabe vom 17. Februar 2001 einen kurzen Artikel über einen neuen Superrechner der an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) aufgebaut werden soll. Der Rechner wird mit 10 Millionen DM (etwa 5 Millionen Euro) öffentlichen Geldes bezuschusst.

Mit 2000 Milliarden Rechenoperationen (flops) pro Sekunde gehöre dieser Rechner zu den 50 schnellsten Computern.

Als beispielhaftes Anwendungsgebiet wurde die Visualisierung von Strömungen in einem Motor genannt.

Der Artikel stellte leider die genannte Rechenleistung nicht in Vergleich mit der Rechenleistung von Tieren, Menschen oder anderen Computern.

 
Dies tun zwei sehr interessante Bücher. Der Däne Till Norretranders beschreibt in "The User Illusion" auf rund 460 Seiten einige verblüffende Eigenschaften des Phänomens Bewußtsein. Unter anderem geht er recht ausführlich auf die Rechenleistung unserer Sinnesorgane und des menschlichen Gehirnes sowie des davon bewußt wahrgenommenen Anteiles aus. Aus dem Kapitel "The Bandwidth of Consciousness" habe ich die folgende Tabelle entnommen:

Information Flow in Sensory Systems And Concscious Perception

Sensory System Total Bandwidth (Bits/s) Conscious Bandwidt (Bits/s)
Eyes 10,000,000 40
Ears 100,000 30
Skin 1,000,000 5
Taste 1,000 1
Smell 100,000 1
     
 
Die dritte Spalte gibt an, wieviel Informationsverarbeitung von unserem Bewußtsein wahrgenommen wird. Zur Angabe der Gesamtkapazität des Gehirnes bezieht sich Norretranders auf den deutschen Neuropsychologen Frank Küpfmüller von der Universität Freiburg. Dieser schätzt die Größenordnung der Informationsverarbeitungskapazität des menschlichen Gehirnes auf etwa 10 Milliarden bits pro Sekunde. Wenn der Aachener Superrechner 2000 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde (=2 Billionen flops) verrichtet, so liegt dieser bereits über der Größenordnung eines menschlichen Gehirns. Ein Flop beinhaltet bei heute üblichen Prozessoren auf jeden Fall mehr als "ein bit"-Zustandsänderungen innerhalb des Prozessors.

Aber der Aachener Superrcomputer ist noch sehr teuer und wahrscheinich auch noch recht groß.

Der amerikanische Autor Ray Kurzweil prognostiziert in seinem Buch "Homo S@apiens. Leben im 21. Jahrhundert - Was bleibt vom Menschen?", daß um das Jahr 2020 die Rechenleistung eines 1000 US-Dollar teuren Computers der Rechenkapazität eines menschlichen Gehirnes entspricht. Er setzt dabei die Kapazität des menschlichen Gehirnes recht hoch an:

Das Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Neuronen. Jedes Neuron ist über durchschnittlich 1000 Verknüpfungen mit anderen Neuronen verbunden. Dies ergibt 100 Trillionen Verbindungen für eine parallele Informationsverarbeitung. Die Taktfrequenz der zerebralen Hardware liegt jedoch bloß bei 200 Operationen pro Sekunden. Dies ergibt eine Rechenkapazität von rund 20 Millionen Milliarden Operationen pro Sekunde.

Der Unterschied im Faktor 2 Millionen zwischen der Abschätzung Küpfmüllers und Kurzweils begründet sich über die unterschiedlichen Annahmen der Rechenleistung eines Neurons und der Anzahl von Neuronen im Gehirn sowie der Taktfrequenz. Küpfmüller nimmt 10 Milliarden Neuronen mit jeweils nur einer Verbindung zu anderen Neuronen und einer Frequenz von eins pro Sekunde an. Kurzweil hingegen unterstellt, daß es 100 Milliarden Neuronen mit 1000 Verbindungen und einer Taktfrequenz von 200 pro Sekunden gibt.

Die Autoren versuchen in ihren jeweiligen Büchern möglichst konservativ zurückhaltend im Sinne ihrer Argumentation zu bleiben, daher der Unterschied.

Wie dem auch sei. Die Vergleiche zeigen recht eindrucksvoll, daß der Mensch seine überlegene Intelligenz gegenüber Maschinen zunehmend über seine "Software" denn seine Hardware wird begründen - und ökonomisch rechtfertigen - müssen.

 
Vielleicht spielt aber auch Verschränkung von Quantenprozessen mit der Hardware eine Rolle. Autoren die diesem Ansatz nachgehen sind z. B:

Es stellt sich dann die Frage, ob man einen Rechner der wahrhaft menschliche Eigenschaften zeigen soll für eine Beeinflussung auf der Ebene von Quantenprozessen konstruieren muß. Wer die Quanten beeinflusst ist dann wiederum eine ganz andere Frage.

Auf jeden Fall, das zeigt die Meldung in der Aachener Zeitung, erlangen solche Fragen zunehmend an praktischer Bedeutung. Und wir müssen uns danach fragen, wer zukünftig die Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft ausführen wird: Computer oder Menschen.

 
1 Ebene höher: Startseite: "Chronik einer Endomorphose"

Zur Startseite "Seelengrund" und "Weltprozess" (höchste Ebene)

Neuronale Unternehmen